Das Pestzeichen
an Susanna weitergeben, die abwehrend die Hände hob.
Nachdem Karl Lauer den Männern über die Ausbeute des letzten Brenntages berichtet hatte, zündete er sich eine Pfeife an. »Was führt euch zu mir?«, fragte er mit einem Seitenblick auf Susanna, die sich auf ein Fass gesetzt hatte und geduldig wartete. »Wird sie gesucht?«, wollte er wissen und paffte an der Pfeife. Ob dieses Verdachts schaute Susanna verstört die beiden Brüder an.
»Wo denkst du hin, Karl! Sie hat ein nettes Wesen und arbeitet auf unserem Hof. Unser Besuch hat einen anderen Grund. Ich bin sicher, dass du gleich einen weiteren Klaren benötigen wirst«, orakelte der Oheim und nickte Susanna zu.
Das Mädchen hopste vom Fass, reichte Karl das Heftchen und setzte sich wieder.
Nachdem er die ersten Sätze gelesen hatte, murmelte er: »Verflucht und zugenäht! Jetzt brauche ich tatsächlich einen Schnaps.« Sprach es und nahm einen Schluck, der ihn husten ließ. »Woher habt ihr diese magischen Schriften?«
»Erzähl es ihm!«, forderte Bauer Sonntag Susanna auf.
Schweigend hörte Karl dem Mädchen zu und nickte nur einige Male.
»Sie weiß nicht, wie sie die Schriften einsetzen muss«, fügte der Oheim hinzu.
»Das ist keine leichte Angelegenheit. Mit Magie allein wird sie nicht weiterkommen. Es fehlen Werkzeuge, die sie zusätzlich braucht.«
Karl Lauer betrachtete Susanna ebenso wie sie ihn. Er war einen halben Kopf kleiner als die Sonntag-Brüder und von schmächtiger Gestalt. Sein dünnes Haar war grau wie seine Bartstoppeln und fiel ihm bis auf die Schultern. Das Kinn stand spitz nach vorn und gab seinem Gesicht einen mürrischen Ausdruck. Doch blickte man in seine Augen, konnte man einen jungenhaften Schalk darin erkennen. Der Schnapsbrenner sog an der Pfeife und fragte Susanna: »Bist du noch Jungfrau?«
–·–
Jeremias, Markus und Schiffer ritten auf den Arnoldschen Hof und, ohne dort anzuhalten, weiter die Wiese hinauf, über die Susanna galoppiert war. Als sie nichts außer Weiden und Äcker vor sich sahen, zügelte Jeremias sein Pferd und blickte sich um. Er versuchte sich vorzustellen, welchen Weg die Bauerntochter genommen haben könnte, und stellte sich in den Steigbügeln auf, um weiter in die Ferne sehen zu können. Wie zuvor Susanna, erblickte er den Hain und überlegte einen Augenblick. Dann wies er seinen Mitstreitern mit dem Zeigefinger die Richtung und galoppierte auf das Waldstück zu.
Die drei Männer durchsuchten die Baumreihen nach Spuren, als Schiffer rief: »Hier liegen frische Pferdeäpfel!«
Jeremias lächelte zufrieden und sagte: »Kennt jemand den Ort, dessen Dächer wir sehen können?«
Schiffer und Markus zuckten mit den Schultern. »Woher soll ich das Kaff kennen?«, maulte Markus. »Ich bin nicht von hier.«
Jeremias führte sein Pferd zu der ersten Kate in der Nähe des Waldrandes. Ein Mann stand im Hof und hackte Holz.
»Grüß dich, Bauer!«, sagte Jeremias freundlich. »Hast du dieser Tage eine fremde junge Frau hier gesehen?«
Der Mann blickte die drei misstrauisch an. »Warum fragst du?«, wollte er wissen.
»Weil das Miststück mein Schlachtross gestohlen hat und ich deshalb auf dieser Mähre reiten muss«, zischte Markus und hatte Mühe, seinen Ärger zu beherrschen.
»Eine Pferdediebin«, murmelte der Mann, und Jeremias glaubte einen Hauch von Bewunderung in seiner Stimme herauszuhören.
»Ich dachte gleich, dass das Pferd nicht ihr gehört. Nur ein Krieger kann ein solch prächtiges Ross besitzen«, sagte seine Frau, die aus der Hütte getreten war und den Mann im schwarzen Mantel musterte.
»Sei gegrüßt, hübsche Bauernfrau«, schmeichelte Jeremias ihr. »Du scheinst eine Kennerin zu sein. Wir sind im langen Krieg tatsächlich Soldaten gewesen und haben unsere Rösser vom Schlachtfeld mitgebracht. Du hast die Pferdediebin gesehen?«, fragte er und schaute ihr in die Augen.
»Was ist dir meine Antwort wert?«, fragte sie und erwiderte seinen Blick.
Raffiniertes Luder , dachte Jeremias und musste grinsen. Da er keine Zeit mit Geplänkel vergeuden wollte, zog er eine Münze aus einem Lederbeutel und warf sie der Frau zu, die sie auffing.
Nachdem sie geprüft hatte, ob sie echt war, sagte sie: »Ich habe sie zum Müller geschickt.«
»Warum?«, fragte Jeremias. Als er ihres fordernden Blickes gewahr wurde, drohte er: »Wage es nicht!«
Die Frau schien abzuwägen und verriet ihm schließlich: »Sie wollte nach Eppelborn, und der Müller sollte ihr den Weg erklären.«
Ohne
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