Das Pestzeichen
einfach werden, Mädchen. Aber du hast die einmalige Gelegenheit, reich zu werden. Nicht vielen ist dieses Glück vergönnt. Nutze die Möglichkeit!«
»Kannst du mich begleiten? Oder ihr?«, fragte sie und blickte die drei Männer flehend an.
»Ich gehe in kein Seuchenhaus«, murmelte der Oheim, dessen Wangen inzwischen rot gefärbt waren.
»Ich kann meine Familie nicht allein lassen. Die Heuernte steht bevor«, erklärte der Bauer.
»Ich bin zu alt«, antwortete der Schnapsbrenner. »Aber ich werde dir alles erklären und dir helfen, Werkzeuge und Mittel zu finden, mit denen du den Schatz heben kannst«, versprach er.
Kapitel 17
Der Abend beim Lauer Karl zog sich in die Länge. Einmal in Fahrt, ließ sich der Schnapsbrenner kaum bremsen, Susanna sein Wissen – oder was er dafür hielt – mitzuteilen.
»Bevor ich dich einweise, musst du eines bedenken: Wenn dir während der Schatzsuche ein Fehler unterläuft, kann der Schatz entkommen. Vor deinen Augen könnte er in der Erde versinken, und dann kann er von niemandem je wieder geborgen werden. Er könnte aber auch seine Gestalt wechseln und sich im Augenblick der Entdeckung in wertlosen Tand verwandeln. Deshalb musst du die Wegwarte bei dir tragen. Ich habe zwar gehört, dass Knoblauch ebenso nützlich sein soll, doch Schatzgräber schwören auf das blaublütige Kraut. Es gibt viele Geschichten über die Zauberkraft der Wegwarte. Sie betört Menschen, einander in Liebe zu verfallen. Und sie heilt vielerlei Krankheiten. Deshalb nutze ich sie gern gegen meine Hämorrhoiden«, verriet Karl verschmitzt lächelnd. »Ich weiß, wo das Kraut wächst, und werde gleich morgen eine ausreichende Menge pflücken und sie dir zum Bachmichel-Haus bringen. Wegwarte ist aber nicht das Einzige, was du neben den magischen Schriften benötigen wirst.«
Angespannt versuchte Susanna sich zu merken, was Karl ihr riet. Ihr Blick klebte an den Lippen des Mannes, und sie wiederholte ständig in Gedanken seine Worte.
»Eine Wünschelrute ist für Schatzsucher ein nicht zu unterschätzendes Werkzeug. Wie du sicher weißt, nutzen die Rutengänger sie, um Wasser aufzuspüren, aber auch Erze oder Kohleadern. Die wahren Könner müssen die Rute nur über eine Landkarte führen, und schon verrät sie ihnen die Tiefe und den Verlauf der Adern. Die Wünschelrute kann auch verlorene Gegenstände wie Metall anzeigen. Deshalb wäre es förderlich, wenn du jemanden findest, der diese Fähigkeiten hat.«
»Wo findet sie so jemanden?«, fragte der Bauer, der ebenfalls achtsam lauschte.
»Vielleicht in einem Bergwerk«, überlegte Karl, der erschrocken zum Oheim schaute, weil dieser laut schnarchte. Er war eingeschlafen und hing auf seinem Stuhl, den Kopf in den Nacken gelegt und den Mund weit offen.
Leise fluchend stupste der Bauer seinen Bruder in die Rippen, sodass er aufwachte. Mit rotgeränderten Augen blickte er um sich, warf einige Bemerkungen in den Raum und sackte erneut zusammen.
»Mein Selbstgebrannter haut den stärksten Mann um«, lachte der Schnapsbrenner und wandte sich wieder Susanna zu, um mit seinen Erklärungen fortzufahren: »Neben der Wünschelrute und den magischen Schriften benötigst du einen Bergspiegel. Er wird dir nicht nur die Stelle zeigen, wo der Schatz liegt, er wird auch seinen Wert bestimmen können.«
»Sie hat eine Karte, in der die Stelle markiert ist. Wozu benötigt sie dann diesen Spiegel?«, gab der Bauer zu bedenken.
Karl hielt in seinen Erklärungen inne und sinnierte. »Das stimmt! Das habe ich vergessen«, murmelte er. »Falls die Zahlen jedoch nicht genau sein sollten, könnte ein Bergspiegel ihr nützliche Dienste erweisen«, erklärte er und schaute Susanna an. »Es kann nicht schaden, wenn du dir solch einen Spiegel besorgst.«
»Woher weißt du über diese Dinge Bescheid?«, fragte Susanna, die sich über Karls großen Redefluss wunderte.
Statt zu antworten, stand er auf, holte seine Pfeife aus der Schublade hervor und stopfte sie. Mit einem Kienspan, den er an einer Laterne entzündete, brachte er den Tabak zum Glimmen. Sein Blick wurde versonnen, und mit leiser Stimme erzählte er: »Vor vielen Jahren fand ich in einem Waldstück einen schwer verwundeten Söldner. Als ich seine Verletzungen sah, wusste ich, dass es für ihn keine Rettung gab und er sterben würde. Ich konnte nichts mehr für ihn tun, außer mich neben ihn zu setzen und seine Hand zu halten. Der Mann, der dem Tod entgegenblickte, war froh, dass er in der letzten Stunde
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