Das Pestzeichen
hereinstürmte.
»Ich habe im Ort gehört, wie ein Mann nach dir fragte«, keuchte sie.
Ungläubig blickte Susanna von ihrer Arbeit auf. »Kennst du ihn?«
»Ich habe ihn noch nie gesehen.«
Susanna spürte, wie ihr Herz zu rasen begann. »War er schwarz gekleidet?«
Die Bäuerin schüttelte den Kopf. »Er war ein stämmiger Bursche mit kurzem Haarschnitt, der nicht besonders freundlich dreinblickte.«
»Das kann nicht sein«, flüsterte Susanna. »Wie können sie mich gefunden haben?«
»Du meinst, er ist einer der Männer von eurem Hof?«
Susanna nickte. »Deine Beschreibung passt zu dem Lumpen, dessen Pferd ich gestohlen habe. Was soll ich tun?«, fragte sie und eilte von Luke zu Luke, um hinauszublicken. »Kann ich mich in dem geheimen Raum unter dem Stall verstecken?«, fragte sie hoffnungsvoll, doch die Bäuerin verneinte: »Nach dem Krieg haben wir den Raum zugemauert, damit die Kinder nicht hineingehen, da er baufällig geworden war.«
»Wo sind dein Mann und sein Bruder?«, wisperte Susanna.
»Ich glaube, auf dem Feld.«
»Herr im Himmel! Was soll ich machen?«
»Versteck dich auf dem Heuboden. Ich werde sagen, dass ich dich nicht kenne«, schlug die Bäuerin vor, als Hufgeklapper auf dem Hof zu hören war.
Beide Frauen blickten zum Fenster hinaus. »Dickerchen«, riefen sie wie aus einem Mund.
»Wenn der Bursche sein Pferd sieht, weiß er, dass ich hier bin.«
»Dann flieh«, schlug die Bäuerin unvermittelt vor und ergriff den Leinensack, der vor ihr auf dem Tisch lag. Ohne nachzudenken, stopfte sie Brot, Wurst und Käse hinein. »Hast du die magischen Schriften?«, fragte sie, und Susanna nickte. Ein Kloß schien in ihrer Kehle zu sitzen, und Tränen verschleierten ihren Blick. Die Bäuerin nahm ihren Umhang vom Haken und reichte ihn dem Mädchen.
»Wirf ihn dir über und häng dir den Beutel um«, sagte sie.
Schon hörten sie die Stimme des Bauern und die eines Fremden vor dem Haus sich laut streiten.
»Jeremias!«, flüsterte Susanna voller Angst.
Die Bäuerin drängte sie zur hinteren Tür, die zum Innenhof führte. Sie öffnete sie leise und schaute vorsichtig umher. Nur der Junge und das Schlachtross waren zu sehen.
»Ludwig«, flüsterte die Bäuerin und winkte den Knaben zu sich. »Zieh Dickerchen das Kopfgeschirr mit dem Gebiss und den Zügeln über und binde ihn an. Dann kommst du sofort ins Haus, denn ich muss dir etwas verraten«, befahl sie und wartete ungeduldig, bis er zu ihr kam. Ohne ein Wort schob sie den Jungen in den Flur. Gleichzeitig zwängte sich Susanna an beiden vorbei und schwang sich auf das Pferd. Bevor sie davonritt, blickte sie traurig die Bäuerin an.
»Danke«, sagte sie mit leiser Stimme und reichte der Frau die Hand, die diese schnell drückte.
»Pass auf dich auf, mein Mädchen!«, sagte die Bäuerin, und Susanna ritt über den Hof auf die Koppel zu.
Dort stieg sie ab, öffnete das Tor, führte das Tier hindurch und schloss es wieder. Sie wollte gerade wieder aufsteigen, als sie unmittelbar hinter sich Jeremias’ Stimme hörte.
»Haben wir dich endlich gefunden.«
Bei diesen Worten wurde es Susanna kalt und heiß zugleich, und sie wandte sich ihm nur zögerlich zu. Sein Blick war voller Hohn auf sie gerichtet. »Du hast etwas, was mir gehört!«, fauchte Jeremias.
»Ich glaubte, das Pferd gehört dem Burschen, der meinen Freund, den Schafhirten, zusammengeschlagen hat«, wagte Susanna zu entgegnen.
Jeremias lachte gequält. »Sein Name ist Markus. Er hat schwache Nerven und neigt zur Gewalt. Sein Pferd ist mir einerlei. Ich will nur das, was mir gehört – die magischen Schriften.«
»Hast du deshalb meine Familie umgebracht?«, fragte sie leise.
»Ich habe sie nicht angerührt«, sagte er mit leichtem Spott in der Stimme. »Ich war nicht einmal in ihrer Nähe.«
»War es dieser Markus?«
Jeremias zuckte mit den Schultern. »Was spielt das für eine Rolle? Gib mir die Schriften, und du bist uns los.«
»Warum hast du sie meinem Vater gegeben, wenn sie für dich so wichtig sind?«
»Wusste ich doch, dass du es damals warst, die uns im Stall belauscht hat«, lachte Jeremias auf. Sein Blick schweifte über das Land und blieb dann an Susanna hängen. »Ich brauchte damals das Geld, das dein Vater dafür zahlte«, gab er zu.
»Und wofür benötigst du das Heftchen jetzt?«
»Jetzt? Jetzt brauche ich noch mehr Geld, und diese Schriften werden mir helfen, den Schatz zu finden.«
Susanna versuchte ihn unwissend anzublicken, doch er
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