Das Pestzeichen
bleierne Müdigkeit in sich. Ich bin es leid umherzuziehen , dachte er und wischte sich über die Augen. »Wenn ich den Schatz gefunden habe, gebe ich eine Hälfte der Kirche, damit sie mich weiterhin mit Gebeten vor der Pest beschützt, und mit der anderen beginne ich ein neues Leben. Ich suche mir eine Frau, die ich heiraten und mit der ich einen Stall Kinder zeugen werde«, murmelte er im Selbstgespräch. Zu laut, wie er gleich merkte.
»Ich habe dir von Anfang an nicht getraut! Du mieser Hund hattest nie die Absicht, mir von dem Geld abzugeben. Ich bring’ dich um!«, brauste Markus auf, der wieder erwacht war und das Gemurmel verstanden hatte. Er stand auf und kam wankend auf Jeremias zu, wobei er die Hände zu Fäusten ballte. Mit glasigen Augen musterte er Jeremias voller Verachtung. Doch dann stöhnte er laut auf und hielt sich den Kopf.
»Lass gut sein! In deinem Zustand brauche ich dich nur mit meinem kleinen Finger anzustoßen, und du fällst zu Boden«, sagte Jeremias und beachtete ihn nicht weiter.
Markus wusste, dass der Gefährte recht hatte, und setzte sich zurück auf sein Lager. »Ich brauche ein Bier«, sagte er und zog Hose und Kittel über. Beim Schnüren der Schuhe stöhnte er erneut laut auf.
»Wir müssen uns auf den Weg machen«, sagte Jeremias und kleidete sich ebenfalls an.
»Warum soll ich dir folgen? Damit du leichter an das Geld kommst?«
»Du wirst deinen Anteil bekommen«, versprach Jeremias, doch Markus blickte ihn zweifelnd an.
»Ich glaube dir nicht!«
»Kannst du aber.«
»Dafür kenne ich dich nicht gut genug, und das, was ich eben gehört habe, reicht, damit ich dir nicht vertraue.«
Jeremias zuckte mit den Schultern. »Ich werde in die Wirtsstube hinuntergehen und etwas essen und danach in Richtung Gersweiler reiten. Bis dahin kannst du dir überlegen, ob du mitkommen willst.«
»Vergesst nicht, dass das keine Reitpferde sind. Sie sind zwar stark, aber nicht daran gewöhnt, schnell zu laufen«, ermahnte Schiffer die beiden Männer.
»Waren sie schon einmal unterm Sattel?«, fragte Jeremias argwöhnisch.
Schiffer nickte. »Vor ewigen Zeiten.«
Markus betrachtete die zwei Pferde, die ein Salzknecht zu ihnen führte. »Sie sehen aus wie Ackergäule«, murrte er.
»Warum nimmst du nicht dein eigenes Pferd?«, blaffte Schiffer den Burschen an.
»Mein edles Ross hat dieses Luder gestohlen. Das, mit dem wir gestern ankamen, lahmt durch den harten Ritt mit zwei Reitern auf dem Rücken. Ein lahmendes Ross ist jedoch immer noch wertvoller als diese Mähren.«
»Frechheit, mir einen nutzlosen Gaul zu überlassen«, schimpfte Schiffer, obwohl er wusste, dass er keine Wahl hatte.
Jeremias überhörte das Geplänkel der beiden Männer, die anscheinend nicht ohne Zank auskamen. Ihm war nur wichtig, dass Markus mitkam.
»Wir müssen los«, sagte er, an den Burschen gewandt, und zog den Sattelgurt seines Pferds fest.
»Hetz mich nicht«, erwiderte Markus, der mit einem Fuß im Steigbügel stand und trotzdem nicht auf das Pferd aufsteigen konnte, da es sich im Kreis drehte. »Ich steche dich ab, wenn du nicht sofort stehen bleibst«, drohte er und riss am Zügel, sodass das Pferd laut wieherte.
Vor Jeremias stieg die Erinnerung an sein totes Pferd in der Blutlache hoch, als er die Drohung hörte. Sogleich ging er auf Markus zu, nahm ihm den Zügel aus der Hand und hielt das Pferd am Kopfgeschirr fest. Er strich ihm über die Stirn und sagte: »Ruhig, mein Alter.«
Das Pferd blieb stehen und kaute auf seinem Gebiss. »Jetzt kannst du aufsteigen«, sagte er zu Markus.
Als der Bursche im Sattel saß, gab Jeremias ihm die Zügel zurück und sagte: »Wage es nicht, ihn noch mal am Maul zu reißen.«
»Was willst du dann machen?«, fragte Markus spöttisch.
»Das wirst du dann sehen«, drohte Jeremias leise.
»Uhhh! Ich bekomme Angst«, höhnte Markus und wendete das Pferd in Richtung Salinentor.
Jeremias saß mit Schwung auf, und sie verließen im langsamen Schritt das Gelände des Salzwerkes.
Sie waren erst wenige Schritte geritten, als Markus sich zu Jeremias umdrehte und mit bitterbösem Blick sagte: »Ich folge dir nur, weil ich mein Pferd zurückhaben will. Außerdem habe ich diesem Miststück versprochen, dass ich es nicht ungestraft davonkommen lasse.«
Jeremias antwortete nicht.
–·–
Susanna wurde durch Stimmen geweckt. Es war bereits hell, und sie setzte sich auf. Ein Ziehen an der Hüfte ließ sie die Luft anhalten. Sie hob ihren Kittel an und stellte
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