Das Pestzeichen
Geldstück herauszuholen. Das hielt er dem Bauern unter die Nase, der sogleich danach greifen wollte, doch Jeremias zog es fort.
»Dafür bleiben die drei Pferde so lange auf deiner Koppel stehen, bis wir wieder abziehen.«
»Alle drei?«, fragte der Alte.
Jeremias nickte. »Das Schlachtross gehört meinem Begleiter. Es wurde von einer jungen Frau gestohlen, die wir bis hierher verfolgt haben. Du hast sie nicht zufällig gesehen?«
Der Alte blickte die beiden Männer aus seinen kleinen dunklen Knopfaugen argwöhnisch an, dann schweifte sein Blick zu dem mächtigen Pferd. »Eine junge Frau hat euch dieses Pferd gestohlen?«, fragte er.
»Das Weibsstück ist ein gerissenes Luder. Wenn ich sie finde, wird sie sich wünschen, mein Pferd niemals berührt zu haben«, brauste Markus auf.
Der Alte schaute den Burschen an und brummte: »Wie ich schon sagte: Ich habe das Pferd heute Morgen auf meiner Koppel entdeckt, aber niemanden gesehen.«
Jeremias blickte nachdenklich umher. »Gibt es hier ein Gasthaus?«, fragte er.
Der Alte nickte und beschrieb ihnen den Weg zu dem Wirtshaus am Ende des Ortes. Dann streckte er ihm seine Hand entgegen.
Bevor Jeremias die Münze auf seine Handfläche legte, ermahnte er den Alten: »Falls das Weibsstück hier auftaucht, lässt du sie nicht zu den Pferden.«
Der Mann versprach es und bekam die Münze. »Ich werde meinen Enkel beauftragen, auf die Gäule aufzupassen«, sagte er und hielt erneut die Hand hin.
»Werde nicht unverschämt«, fauchte Markus und ging einen Schritt auf ihn zu. Seine Fußspitze stieß gegen den Krückstock des Bauern, sodass dieser wankte. Erschrocken weiteten sich seine Augen.
»Wir verstehen uns?«, fragte Markus, und der Bauer nickte.
»Dickerchen«, flüsterte Susanna bestürzt und wollte den Weg zur Koppel einschlagen, doch Urs zog sie hinter einen Holzstapel zwischen zwei Hütten.
»Bist du von Sinnen?«, schimpfte er mit verhaltener Stimme. »Jeremias ist doch der Name dieses Mannes, der dich verfolgt hat?«
Sie nickte.
»Du bringst dich in Gefahr, wenn du zu dem Pferd rennst.«
Tränen verschleierten ihren Blick. »Du verstehst das nicht«, wisperte sie. »Dickerchen ist die einzige Verbindung, die ich nach Hause habe.«
Urs blickte sie verständnislos an. »Das verstehe ich nicht. Ich dachte, das Pferd gehört diesem Markus, der deine Familie ermordet hat.«
»Schon«, druckste Susanna herum, »Dickerchen hat aber damals auf unserer Koppel gestanden …«
»Du redest wirres Zeugs«, erklärte Urs und schüttelte den Kopf. »Deshalb gehört der Gaul nicht dir.«
»Du verstehst nichts«, fauchte sie erneut. »Dickerchen hat mich nicht im Stich gelassen. Ohne ihn würde ich nicht mehr leben.«
Wieder schüttelte Urs verständnislos den Kopf. »Es ist nur ein Pferd, dem es einerlei ist, zu wem es gehört – Hauptsache, es bekommt zu fressen und zu saufen.«
»Ich werde ihn nicht bei diesem Unmenschen zurücklassen«, erklärte sie stur, sprang auf und wollte losrennen.
Urs bekam ihren Rocksaum zu fassen und zog sie zurück hinter den Holzstapel. »Susanna, du hast andere Sorgen als Dickerchen«, brauste er gedämpft auf. »Wenn diese Männer dich zu greifen bekommen, können sie dich wegen Pferdediebstahls am nächsten Baum aufknüpfen. Bei uns in der Schweiz kam das schon vor, und hier im Reich ist es nicht anders.«
Susanna ließ sich erschüttert auf ihren Hintern plumpsen.
»Wirklich?«, fragte sie und zog die Knie an, die sie mit beiden Armen umschlang.
Plötzlich hob Urs seinen Kopf und lauschte. Erschrocken legte er den Zeigefinger auf den Mund, um ihr zu bedeuten, dass sie schweigen solle. In diesem Augenblick marschierten Jeremias und Markus an ihnen vorbei, ohne sie zu bemerken. Susanna hielt den Atem an und holte erst wieder Luft, als die beiden außer Hörweite waren.
»Hast du verstanden, was sie gesagt haben?«
Susanna schüttelte den Kopf. »Ich war wie gelähmt«, wisperte sie. »Ich habe nichts verstanden.« Sie zitterte am ganzen Körper.
»Sie wollen in dasselbe Gasthaus gehen, in dem wir eben waren.«
»Gut so! Dann kann ich Dickerchen von der Koppel holen.«
»Du hast nichts anderes im Kopf als dieses Pferd«, regte Urs sich auf.
Als ihm klar wurde, dass Susanna sich nicht von ihrem Starrsinn abbringen ließ, schnaufte er laut aus und sagte: »Es ist wichtig, dass wir mit der Magd sprechen, damit sie uns nicht verrät.«
»Ach, du willst diese Magd wiedersehen, und deshalb soll ich Dickerchen im Stich
Weitere Kostenlose Bücher