Das Pete Buch 03 - 7 Ohrfeigen
Badehosen durch die frische Morgenluft liefen und sich in die eiskalten Fluten des nahen Flusses stürzten, stellte Jippy zu seinem Erstaunen fest, daß die Muskelschmerzen wie weggeblasen waren.
Früher hätte er sich bei dem bloßen Gedanken daran, um fünf Uhr morgens ein eiskaltes Bad zu nehmen, einen Schnupfen geholt. Als sie jetzt aber zum Ranchhaus zurückliefen, verspürte er eine wohltuende Wärme, die aus seinem Inneren kam — und er begriff zum ersten Male, welche Kräfte und Energien sich entfalten, wenn man sich nur überwinden lernt. Er empfand ein ganz neues Lebensgefühl. Die Stubenhocker-Atmosphäre, in der er bisher gelebt hatte, erschien ihm nun unsagbar langweilig. Er hatte immer gemeint, das Leben auf dem Lande müsse sterbenslangweilig und primitiv sein. Doch nun erkannte er, um wieviel bewußter und natürlicher der Landmensch lebt. Eine ganz neue, unbekannte Welt erschloß sich ihm. Er verspürte den Ehrgeiz, Pete nachzueifern, es ihm gleichzutun.
An diesem Vormittag halfen sie beim Auftrieb einer nach Tausenden zählenden Rinderherde aus dem Long-Canon. Da Jippy noch nicht richtig reiten konnte, sah er zu, wie Pete und Dorothy zusammen mit den Weidereitern der Salem-Ranch die gewaltige Staubwolke umkreisten, in deren Zentrum sich die Herde bewegte. Hell tönte der Knall der Rinderpeitschen, dumpf das Trappeln der galoppierenden Pferde — da jagte das Mädchen vorbei,
mit flatternden Haaren und blitzenden Augen. Es tauchte unter im flimmernden Dunst — wurde weit vorn bei der Spitze der Herde wieder sichtbar und jagte mit jauchzenden Schreien, erfüllt von Lebenslust, die ausbrechenden Rinder zurück. Es sah spielerisch aus, wie die flinken Reiter dahinjagten im Wirbel von Staub und Getöse, wie sie die Herde, diese Zusammenballung von Kraft und Wildheit, nach ihrem Willen leiteten und bändigten.
All dies beobachtete Jippy, und es riß ihn mit. Er hätte später nicht sagen können, wie es dazu gekommen war — aber auf einmal befand er sich mitten drin im dröhnenden Getöse, in dem tollen Wirbelsturm aus Staub und Tierleibern. Er sah nichts, er dachte nichts — wie mit schicksalhafter Gewalt riß es ihn hinein in den Strudel ungebärdigen Geschehens. Er jagte dahin, ohne es zu wissen. Er klammerte sich nicht mehr am Sattel fest — ganz leicht und schwerelos flog er dahin und ließ die Peitsche knallen. Er jauchzte und schrie, schwenkte seinen Hut und ritt der Sonne entgegen . . .
Pete sah den Jungen herangaloppiert kommen und machte große Augen. Gestern abend noch war Jippy jedesmal vom Pferd gefallen, wenn es nur in einen leichten Trab ging — und jetzt jagte Jippy im gestreckten Galopp daher. Er hatte von selber das Reiten gelernt, die Hemmung überwunden — die Furcht vor dem Sturz.
„Holla!" sagte Jippy und parierte sein Pferd. „Ich denke, daß wir es bald geschafft haben, wie?"
„Ja", sagte Pete. „Du hast tüchtig mitgeholfen, und so sind wir gut vorangekommen."
Er tat, als wäre es ganz selbstverständlich, daß Jippy auf einmal das Reiten gelernt hatte — und als habe er nichts anderes erwartet. Anerkennung bedarf keiner Worte und verführt allzu leicht dazu, bequem zu werden. Pete übertrug mit selbstverständlicher Miene Jippy die schwierige Aufgabe, die Spitze der Herde vom Fluß abzudrängen. Das erforderte äußerste Geschicklichkeit und gehörigen Mut! Daß Pete dem Jungen diese schwierige Aufgabe übertrug, war seine Form der Anerkennung — und Jippy wurde sich, als er diese Aufgabe wahrhaftig bestens meisterte, gar nicht bewußt, daß er eine Leistung vollbrachte, die einem erfahrenen Weidereiter zur Ehre gereicht haben würde.
Am späten Nachmittag waren Pete und Jippy beim Holzhacken. Jippy stellte sich recht ungeschickt an, bis ihm dann ein emporspringendes Holzscheit gegen die Stirn flog. Er setzte sich, einen Spiralnebel von Sternen vor Augen, auf den Boden.
„Hast du dir weh getan?" hörte er Petes Stimme wie aus weiter Ferne. „Du darfst die Scheite beim Querspalten nicht auf den Rand des Hauklotzes legen", fügte Pete hinzu. „Versuch's noch einmal, Jippy — es wird schon klappen!"
Jippy, der in diesem Augenblick den Wunsch verspürte, sich für etliche Tage krank ins Bett zu legen — der im Internat unter ähnlichen Umständen die Augen verdreht hätte und hingefallen wäre, um sich dann auf einer Bahre davontragen zu lassen — Jippy vernahm nur diese Worte:
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