Das Pete Buch 03 - 7 Ohrfeigen
Watson nun, da die „einflußreichen Herren" sich aus dem Staube gemacht hatten, in einer abscheulichen Situation. Seine Träume von der bevorstehenden Karriere waren ausgeträumt. In dem Augenblick, da er sich hatte auf den Stuhl seines Vorgesetzten setzen wollen — da er davon träumte, Sheriff von Somerset zu werden — in diesem Augenblick hatte man ihm einfach den Stuhl unter dem Hosenboden fortgezogen; er hatte sich auf den Boden gesetzt. Niemand war mehr da, der ihn deckte, der ihm Anweisungen gab, die er dann mit serviler Unterwürfigkeit ausführen konnte — und alle sahen ihn über die Achsel an.
„Watson stellt sich dumm!" meldete Bill Osborne. „Er tut, als sei überhaupt nichts vorgefallen. Sollen wir ihn jedoch so leichten Kaufes davonkommen lassen?"
Pete lachte nur. „Er verstellt sich nicht, Bill — er i s t dumm. Und die Dummen haben gerade Schonzeit. Waffenstillstand für heute, Kameraden. Der Feind hat schmählich die Flucht ergriffen. Die Gerechtigkeit hat den ersten Sieg errungen. Weitere Siege werden folgen. Hurra!"
„Hurra!" brüllten die Jungen, und dann mußten sie lachen; denn sie sahen, wie der Sheriffsgehilfe Watson, der drüben auf einer Bank in der Sonne saß, entsetzt aufsprang und fluchtartig im Hause verschwand.
Eine halbe Stunde später scholl ein merkwürdiger Lärm durch die Straßen der kleinen Stadt. Die Leute blickten verwundert aus den Fenstern — und da sahen sie die Jungen vom „Bund der Gerechten" umher marschieren. Vorneweg die Musikkapelle, bestehend aus den „Trompetern", die zwar keine Trompeten besaßen, aber ihre hohlen Hände vor den Mund hielten und den „Yankee Doodle" *) quäkten. Andere Jungen hatten sich mit Topfdeckeln und Blecheimern bewaffnet und schlugen den Takt, was ein ungeheures Getöse ergab. Wieder andere ahmten mehr laut als schön die verschiedenartigsten Musikinstrumente nach.
Es war die „Siegesparade" des Bundes, und die belustigten Einwohner von Somerset lasen die Worte, die auf einem Transparent standen, das Pete an einer Holzstange hochhielt:
„ Proklamation.
Bürger von Somerset! — Der Tyrann ist entflohen. Ruhe und Ordnung sind wiederhergestellt.
Es lebe die Gerechtigkeit!"
An diesem Abend fuhr Lucky Nale nach Tucson. Der Reporter versprach, sich sofort wieder zu melden, sobald er etwas Neues wüßte. Pete seinerseits versprach, das Brüderchen unter seine Fittiche zu nehmen. Jippy sollte ja während seiner Ferien auf der Salem-Ranch bleiben.
Am nächsten Morgen erteilte Pete dem Jungen die erste Reitstunde. Jippy war nicht dumm, aber seine Tollpatschigkeit ging weit über alles hinaus, was Pete bisher
*) Damalige Nationalhymne der USA.
erlebt hatte. Er kletterte von der einen Seite in den Sattel — und fiel auf der anderen wieder hinunter. Anstatt mit dem linken Bein, stieg er mit dem rechten Bein in den Steigbügel, schwang sich hoch — und saß natürlich verkehrt im Sattel.
Jippy war ungeheuer belesen. Er erläuterte Pete die besonderen Regeln der „Spanischen Reitschule" und hielt einen Vortrag über Pferdezucht. Als er jedoch selber reiten sollte, erwies sich, wie grau alle Theorie ist.
„Ich gebe zu, daß du eine ganze Menge über Pferdezucht und Reitkunst weißt, Jippy", sagte Pete an diesem Abend erschöpft und erschüttert. „Du weißt mehr, als irgendein Junge sonst hier im Distrikt, ich eingeschlossen. Aber du bist entsetzlich unpraktisch. Versuche doch einmal zu vergessen, was du weißt — und denke nur daran, daß du im Sattel bleiben willst. Wenn du nur oben bliebest, wäre es schon ein erheblicher Fortschritt. Man reitet nicht mit dem Verstand, Jippy — man reitet mit dem Hosenboden!"
Jippy biß die Zähne zusammen und versuchte es abermals. Als er an diesem Abend todmüde ins Bett sank, hatte er mehr gelernt, als Bücherweisheit jemals vermitteln kann: Er hatte gelernt durchzuhalten, die Zähne zusammenzubeißen und Probleme zu meistern, die auf einer ganz anderen Ebene lagen als diejenigen, welche ihm im Internat von hochgebildeten Privatlehrern vorgekaut und mundgerecht serviert worden waren.
Niemals zuvor hatte er so tief und traumlos geschlafen. Obwohl Pete ihn bereits um fünf Uhr morgens aus
dem Bett holte — was für einen Stadtjungen noch tiefe Nacht bedeutet — fühlte sich Jippy frisch und ausgeschlafen. Er beklagte sich über heftigen Muskelkater, aber als sie in
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