Das Pete Buch 05 - Wer schleicht denn da herum
mittlerer Stärke im Anzug.
Aber sie erhob sich wieder, wenn auch umständlich, fauchte wie eine Riesenlokomotive, die überschüssigen Dampf abläßt, und marschierte mit gewichtigen Schritten auf das Daly Water zu. Sie hatte vor, Pete und Sam beim Genick zu packen und ihre Köpfe liebevoll anein-anderzuschlagen.
Das konnte sie jedoch nicht, denn zwischen ihr und den Jungen lag der Teich, und Wasser in solchen Mengen scheute Mammy genau so sehr wie Feuer, seit ihr einmal eine Zigeunerin geweissagt hatte, sie würde bei einem Hochwasser oder einer Feuersbrunst elendiglich umkommen.
„Ihr herkommen, böse Schlingel!" schimpfte sie über das Gewässer hinweg; und die Blätter an den Bäumen bewegten sich von dem Luftzug, den sie dabei verursachte. „Arme Mammy sagen zwei Uhr und jetzt mindestens drei! Ich stehen an Mauer und warten und schlagen Wurzel und warten immer noch —"
Weiter kam sie mit ihrer Strafpredigt nicht. Der Papagei schien plötzlich Gefallen an ihr gefunden zu haben. Für ihn bedeutete das Wasser ja kein Hindernis. In elegantem Flug drehte er sich in die Höhe, verlegte die Steuerung und ließ sich in kühnem Sturz nach unten gleiten. Er hatte es diesmal auf Lindas Kopf abgesehen.
Aber die Schwarze erkannte die Gefahr und stob mit einem kühnen Sprung beiseite. Es sah aus, als schicke ein Elefant sich an, Walzer zu tanzen. Der Papagei bemerkte noch rechtzeitig, daß es eine Bruchlandung geben würde, und flatterte im letzten Moment wieder in die Höhe. Dabei krächzte er ein über das andere Mal sein erbostes „Hilfe! Mord!"
„Geh weg, gottloses Vogel!" schimpfte sie wütend. „Ich drehen dir Hals um! Dann du können bitten noch und noch — futsch, zu spät!"
Der Papagei begriff anscheinend, was ihm drohte. Er umkreiste Mammy neugierig zwei- oder dreimal, dann hatte er genug gesehen und segelte in Richtung auf das Haus weiter.
„Wer ist die Schwarze mit den Telleraugen?" fragte indessen Mr. Dudley verblüfft.
Mammy Linda hörte natürlich, was er sagte, und seine Worte erregten erneut ihren Zorn.
„Dicke Fettwanst!" schimpfte sie erbost, ohne daran zu denken, daß sie mindestens doppelt so dick war wie dieser. „Und Glatze — pfui! Männer mit Glatze sein wie Kind mit Popo oben — jawohl!" Nachdem sie diesen Trumpf ausgespielt, schnaufte sie verächtlich. „Sofort herkommen, liebe Babies Pete und Sam! Diese Mann kein Umgang für kleine Buben!"
„Gehen Sie ein Stückchen nach rechts", rief ihr Mrs. Dudley zu, die den süßen Johnny inzwischen in die Arme genommen hatte und ihn umklammert hielt, als könne er ihr wieder verlorengehen. „Dort ist eine Brücke! Kommen Sie zu uns herüber! Ich habe mit Ihnen zu sprechen!"
„Mammy Linda nur reden, mit wem Lust haben!" röhrte die Schwarze, ging aber doch, um die Brücke zu suchen. Sie fand sie und betrachtete sie eine Weile lang mit kritischen Augen. Dieses Ding war sehr schwach gebaut; wer konnte wissen, ob es jedes Gewicht aushielt? Schließlich faßte sie Mut und schritt eilig hinüber. Es ging alles gut. Wie ein Walroß stampfte sie der Gruppe am andern Ufer entgegen.
„Was gehen hier vor?" verlangte sie zu wissen. „Warum Pete und Sam in Garten? Sollten draußen warten auf mich vor Mauer! Ihr wollen vielleicht entführen die lieben Kleinen? Dann ihr bekommen mit Mammy Linda zu tun — jawohl!"
„Dies sind zwei sehr wackere Knaben!" unterbrach Mr. Dudley den Redeschwall der Alten. „Sie retteten unsern süßen Jonny vor dem schrecklichen Tode des Ertrinkens!"
„Das nicht schlimm", versetzte Mammy nebensächlich. „Sie retten immerzu und machen solche dumme Zeug! Muß immer alles ausbaden!" Energisch faßte sie Pete und Sam bei den Handgelenken. „Ihr kommen mit! Müssen zurück zur Salem-Ranch!"
„Ausgeschlossen!" wehrte Mrs. Dudley ab, die ihren nassen, süßen Johnny immer noch umklammert hielt. Der lief schon langsam blau an, so sehr drückte sie ihn. „Die Jungen müssen mit uns ins Haus! Wir haben ihnen noch gar nicht gedankt!"
„Nicht nötig!" erwiderte Mammy mißtrauisch. „Ich ihnen danken mit Bratpfanne und nasse Handtuch — nächstes Mal, wenn wieder machen große Unsinn! Wir gehen niemals nicht in Haus zu Leuten, die wir nicht tun kennen."
Mrs. Dudley gab ihrem Gemahl einen Stoß. „Mach' dich doch bekannt! Wir wissen gottlob, was der Anstand gebietet!"
Ihr beleibter Gatte verbeugte sich so gut es ging.
„Gestatten, daß ich mich vorstelle", sagte er sehr höflich. „Dudley! Tittling Dudley,
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