Das Pete Buch 15 - Hals und Beinbruch Boys
wie ein Mann, der sich etwas schenken läßt.«
Watson stärkte sich durch einen gewaltigen Schluck, und da sein Stärkungsbedürfnis größer war als der Inhalt seines Glases, nahm er der Einfachheit halber gleich die Flasche. Mit dem Whisky zog unbändiger Mut in sein Herz. Er klimperte an seinem Hilfssheriffsstern und herrschte den Fremden an: „Papiere! Zeigen Sie Ihre Papiere vor und zittern Sie, wenn sie nicht in Ordnung sind! Sie haben es mit dem berühmtesten Hilfssheriff
des Wilden Westens zu tun — mit dem Mann, vor dem alle Banditen- und Gaunerseelen schon beben, wenn sie nur seinen Namen hören!"
„Please!" entgegnete der Fremde liebenswürdig und griff in die Tasche. „Es ist das gute Recht jeder Amtsperson, Einsicht in die Papiere von Leuten zu nehmen, die nicht aus ihrem Distrikt stammen. Da —!" Er brachte die Hand, mit der er in die Tasche gefahren war, leer wieder zurück. Hilflose Ratlosigkeit lag auf seinem Gesicht. „Eben hatte ich sie doch! Trage sie stets bei mir! Muß sie verloren haben, als ich zur Tür hereinfiel! Augenblick, ich sehe gleich einmal draußen nach."
„Es geht Ihnen schlecht, falls Sie sie nicht finden sollten!" knurrte Watson, dessen Mißtrauen erwacht war.
„Sie sind da", beteuerte der Fremde. „Ich bin ein un-bescholtener Mann!" Er guckte in den Flur hinaus. Er bückte sich sogar, um besser sehen zu können, ob etwas auf dem Fußboden lag. „Viel zu dunkel hier draußen", sagte er dann kläglich. „Gestatten Sie, daß ich die Lampe nehme?" Longfellow nickte. Der Fremde drückte die Petroleumlampe dem lauernden Hilfssheriff in die Hand. „Leuchten Sie mal!" sagte er kurz. „Da liegen sie ja — Augenblick!"
Watson starrte auf die Stelle, auf die der Fremde zeigte, konnte aber beim besten Willen nichts erkennen. Plötzlich bekam er von dem Mann hinterlistig einen Stoß in die Rippen. Er ließ die Lampe fallen, verlor das Gleichgewicht und setzte sich hin. Das hatte einen gewaltigen Vorteil: er erstickte damit den Brand, der sonst
unweigerlich entstanden wäre, mit seiner Rückfront im Keime. Es hatte allerdings auch einen Nachteil: Feuer ist leider heiß, und Watson bekam nicht nur den heißen Lampenzylinder und die ebenso heiße Lampenglocke zu spüren, sondern auch deren Scherben. Die aber waren spitzig und lang. Der Hilfssheriff sprang sofort wieder auf, kaum daß er den Boden berührt hatte, und vollführte einen Indianertanz und sang dazu. Was er sang, war nicht zu verstehen. Es war auch nicht sehr melodiös; es klang wie das röhrende Brüllen eines Urmenschen. Der Hilfssheriff sprang und sang so lange im Flur herum, bis Mr. Huckley eine Kerze angezündet hatte und nachsehen kam, was eigentlich los war. Er sah Mr. Watson, aber von dem Fremden nichts mehr: der hatte sich inzwischen dünngemacht.
„Treten Sie in die Bremse, John Watson! Der Kerl ist sowieso weg! Gehen wir wieder hinein und nehmen Sie noch einen Schluck. Er wird Ihnen gut tun. Für den Fall, daß Ihnen etwas Kühles für die Rückfront angenehmer ist: ich habe in der Küche einen Bottich mit eiskaltem Wasser stehen. Setzen Sie sich hinein und lassen Sie Ihren Allerwertesten auskühlen."
Watsons Augen flackerten wild. „Tut mir leid, Mr. Huckley — ich habe keine Zeit, an mich zu denken! Dies war ein Attentat auf die Staatsgewalt! Das wird fürchterlich gerochen werden!"
Er verließ das Haus, war jedoch kaum draußen, als er sofort wieder zurückkam, bebend vor Aufregung. „Eine ganze Bande, Mr. Huckley!" rief er. „Natürlich werden
wir unsern letzten Atem so teuer wie möglich verkaufen! Wir kämpfen bis zum grauenvollen Ende!"
Nachdem er das gesagt hatte, ging es draußen los. Eine ganze Menge frischer Jungenstimmen sang das alte, hebe, bekannte Lied von dem schmeichelnden Wind, der über die Prärie weht...
„Komische Räuber!" lachte Longfellow, nachdem er ein Weilchen gelauscht hatte. „Sie singen kein kleines bißchen falsch — wollen mal sehen, wer das ist!"
Mr. Watson faßte ihn beim Rockärmel. „Gehen Sie nicht hinaus, ich beschwöre Sie! Das Ganze ist ein Trick — ich durchschaue die Bande! Sie wollen uns nur aus dem Haus locken! Sie fallen dann über Sie her, fesseln Sie, knebeln Sie, halten Sie in einer Höhle gefangen und verlangen ein ungeheueres Lösegeld von Ihnen!"
„Quatsch!" entgegnete Huckley. „Wenn es trotzdem so kommen sollte, sind Sie ja noch da! Sie werden mich schon wieder aus den Händen der Banditen heraus hauen!"
Watson warf sich in
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