Das Pete Buch 22 - Wer blufft wen
dann die Chance hatte, auch die ersten Exemplare schnell zu verkaufen. Nur Will und Charly beteiligten sich nicht an der allgemeinen Rauferei. Sie warteten geduldig, bis sie an der Reihe waren. Dann aber sausten sie auf ihren Rädern los, als sei der Leibhaftige ihnen auf den Fersen.
Charly hatte seinen Stammplatz am Schacht einer Untergrundbahn. Zu Tausenden quollen die Menschen aus der Erde und strebten ihren Arbeitsplätzen in der City zu. Immer wieder mußte der Boy an Ameisen denken, die aus der Tiefe ihrer Höhle auftauchten, um ihrer Arbeit nachzugehen.
„Tucson Star! — Tucson Star!" Charly Clevers Stimme schallte weit. Die Menschen kauften im Vorbeigehen die Zeitungen. Sie wußten, daß Charly hier stand, und hatten schon vorher die Cents in der Hand bereit. Kaum eine Viertelstunde später hatte der Boy die ersten hundert Exemplare verkauft. Geschwind sprang er wieder in den Sattel und sauste zum Zeitungsgebäude zurück, um Nachschub zu holen.
Charly kehrte nicht wieder zu dem U-Bahnschacht zurück. Er wußte, daß dort nichts mehr zu holen war. In der Zwischenzeit waren nämlich die Zeitungen auch in die Randbezirke der Stadt gelangt. Die Menschen, die jetzt mit der Bahn ankamen, hatten das Blatt bereits im Zug gelesen. Eine halbe Stunde machte dabei sehr viel aus. Ein Zeitungsboy mußte eben tausend Tricks kennen.
Charly radelte mit dem zweiten Schub zum Bahnhof. Die Menschen die mit den Fernzügen kamen, hatten die Zeitung bei Antritt ihrer Reise natürlich noch nicht bekommen. Also war jetzt auf dem Bahnhof ein Geschäft zu machen!
Aber Charly hatte sich verrechnet. Als er dort anlangte, war einfach kein Durchkommen durch die Menschenmenge! Auf einem Lastkraftwagen stand eine Musikkapelle. Im allgemeinen Lärm konnte man zwar nicht hören, was gespielt wurde, nur der eigentümliche Rhythmus der Pauke dröhnte einem in den Ohren.
Die Menschen standen Kopf an Kopf. Charly machte von seinen Ellenbogen reichlich Gebrauch. Er kam trotzdem nicht durch. Im Gegenteil, er handelte sich von einem, dem er versehentlich auf die Füße gestiegen war, eine tüchtige Ohrfeige ein.
„He, Boy", wandte er sich endlich an einen kleinen Bengel, „was ist hier los?"
„Sandman & Co. erwartet den Entdecker der ersten Eieruhr. Soll aus der Provinz kommen."
Charly schlug sich mit der Hand vor die Stirn. Daß er daran nicht gedacht hatte! Seine Zeitungen könnten schon verkauft sein!
„Tucson Star! — Tucson Star!" Charly hatte eine unverkennbare Stimme. „Sandman & Co., erwartet Finder der Dreieinhalbminuten-Uhr!"
Und schon ging es los! Die Menschen standen am Bahnhof und erlebten mit, was in der Zeitung angekündigt wurde, kauften aber dennoch die Zeitung, um schwarz auf weiß zu lesen. Charly verkaufte Zeitung um Zeitung. Er verstand die Welt nicht mehr! In diesem Augenblick erkannte er zum erstenmal, welche Macht in den Händen der ,Zeitungsfritzen' lag. Damit meinte er keineswegs sich und die Boys! Nein, er meinte die verantwortlichen Herren, die für den Inhalt zu sorgen hatten! Charly mußte plötzlich an Wills Worte denken. Ja, der Boy hatte recht. Man mußte sich tatsächlich schämen. Da wurde der allergrößte Mist abgedruckt; die Menschen aber glaubten daran, weil es eben gedruckt war!
„Man muß versuchen, es besser zu machen", murmelte Charly vor sich hin. Ich will es versuchen. Heute bin ich noch ein kleiner Zeitungsboy, vielleicht werde
ich mal ein großer Redakteur, dann werde ich aber mit eisernem Besen kehren!"
Keiner der Umstehenden hatte die Worte des Jungen verstanden. Die Musikkapelle machte einen schrecklichen Lärm, und die Menschen schrien und lachten, johlten und pfiffen. Charly hatte lange die letzte Zeitung verkauft. Er stand nun in der Menge eingekeilt und konnte weder vorwärts noch rückwärts. Er beschloß daher, den weiteren Verlauf der Dinge abzuwarten. Mit nüchternen Augen wollte er verfolgen, was die Firma Sandman & Co.. hier zu bieten hatte. Charly war sich natürlich, genau wie Pete und Sam, darüber im klaren, daß das alles ein aufgelegter Schwinde] war.
*
Hilfssheriff John Watson schwitzte fürchterlich! So hatte er die letzten zwanzig Jahre doch noch nicht geschuftet. Oh, was hätte er darum gegeben, wenn er jetzt in dem Güterwagen neben der Timpedow gesessen hätte! Wieviel Kohlen fraß denn eigentlich so eine Lokomotive? Das hörte ja überhaupt nicht
Weitere Kostenlose Bücher