Das Pete Buch 22 - Wer blufft wen
dann war er ganz automatisch dem Wagen gefolgt. Er wußte fast selbst nicht, warum. Seine Gedanken waren ja ganz woanders. Und dann war er auf dem Platz vor dem Verwaltungsgebäude der Firma Sandman & Co. gelandet.
Charly wurde durch die Stimme im Lautsprecher aus seinen Gedanken gerissen. Er sah zum Balkon auf, wo der Sprecher stehen mußte. Aber dann stutzte er. Da stand ein Neger und winkte mit dem Hut. Der Mann kam Charly sehr bekannt vor. Gebannt starrte er ihn an, seine Augen erfaßten jede Einzelheit; dennoch kam er nicht darauf. Woher kannte er nur den Schwarzen?
Das Spiel auf dem Balkon nahm jetzt seinen Anfang. Und Charly wurde nun erst recht wachsam! Der ,Neger' benahm sich recht merkwürdig! Da stimmte doch etwas nicht? Die Gedanken des Zeitungsboys schössen tolle Kapriolen. Aber er kam zu keinem Ergebnis. Nein, die ganze Angelegenheit war zu verworren. Wenn ihm doch wenigstens eingefallen wäre, wer der Mann auf dem Balkon war! Mr. Pokerpiet? Charly kannte keinen Menschen dieses Namens. Und doch stand für ihn fest, daß er den Schwarzen schon oft gesehen hatte. Aber w o nur?
Der Boy gab es endlich auf, darüber nachzudenken. Die Menschen ringsum verstreuten sich schon. So ging er denn auch. Schließlich wollte er nicht alle seine Stammkunden warten lassen. Zuerst aber mußte er zum Bahnhof zurück, um sein Fahrrad zu holen. Die Zeitungsboys hatten ein Abkommen mit dem alten Schuhputzer von der Station getroffen. Er wirf für wenige Cents, die stets zusammengelegt wurden, immer ein Auge auf die Räder der Jungen.
Als Charly beim Bahnhof ankam, erwartete Will ihn schon. „Hallo, old boy", rief er, „beeile dich mal ein bißchen, ja?"
„Was gibt es denn?" Charly schwang sich schon in den Sattel seines Stahlrosses.
„In zwei Stunden kommt ein Extrablatt heraus. Wird ein gutes Geschäft, kann ich dir sagen!"
„Doch nicht wegen der Eieruhren?" Charly machte eine fürchterliche Grimasse.
„No, deswegen nicht. War etwas anderes los? Heute ist doch der Senator Hardley aus Washington eingetrudelt, nicht wahr? Na, auf den hatte einer ein Attentat vor."
Charly sah Will entsetzt an. „Ein richtiges Attentat? Mensch, gibt es denn so etwas? Wer soll das aber gewesen sein?"
„Ein Neger. Zuerst hat er sich auf dem Bahnhof wie ein Irrer benommen; dann ist er in den Saal, wo die Begrüßungsfeierlichkeiten stattfinden sollten, eingedrungen. Er sprang auf die Bühne und hat versucht, eine Rede zu halten. Keiner weiß mehr genau, was er gesagt hat, aber es soll etwas von ,Helden von Arizona' darin vorgekommen sein. Na, vielleicht haben irgendwelche Kreise vor, eine Revolution zu machen."
„Revolution? Wozu soll das bloß gut sein? Wir haben doch eine feine Regierung und all den Krempel, der damit in Zusammenhang steht. Ich wüßte nicht, warum da jemand eine Revolution machen soll."
„Das weiß man nie", lachte Charly, „möglich ist alles. Du glaubst gar nicht, w i e die Menschen sind. Ich habe gelesen, in Europa haben sie vier Jahre lang einen Krieg geführt, nur weil so ein Revoluzzer einen hohen Würdenträger umgebracht hat."
„Das stimmt", nickte Charly, „das war da irgendwo auf dem Balkan oder wie die Gegend heißt. Aber meinst du wirklich, daß das etwas mit dem Neger zu tun hatte? Ich meine, er sah doch ganz harmlos aus."
„Was? Harmlos? Hast du den Kerl denn gesehen?" Will trat plötzlich vor Staunen auf die Rücktrittsbremse. Die Boys fuhren nämlich während dieses Gespräches nebeneinander durch die Stadt.
„Ja, er stand doch auf dem Wagen mit der Musikkapelle." Charly sagte das, als sei es die selbstverständlichste Sache von der Welt.
Nun aber fing Will fürchterlich an zu lachen. „Du
sprichst ja von dem Kerl, der die erste Eieruhr mit--,
na, du weißt schon. Meinst du den?"
„Ja, den meine ich. Ich weiß selbst nicht, wie ich darauf komme, daß es sich um ein und dieselbe Person handelt."
„Das ist es!!" Will trat zum zweitenmal auf die Rücktrittsbremse. „Mensch, Charly, ich gratuliere! Du hast 'ne tolle Idee. Das kann uns ein hübsches Sümmchen einbringen."
„Verstehe kein Wort. Ich weiß gar nicht, was d u willst!" Charly war nicht mehr richtig bei der Sache. Er dachte immer noch an den Mann auf dem Balkon, wie es einem Menschen manchmal ergeht, wenn er sich an etwas erinnern möchte, aber nicht darauf kommt.
„Komm mit, Boy",
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