Das Pete Buch 22 - Wer blufft wen
durch die Straßen der Stadt. Überall sah er schöne Geschäfte. In den Fenstern waren die herrlichsten Dinge zur Schau gestellt. Was es da alles zu sehen gab! Die Augen des Burschen wurden immer größer. Vor jedem Laden blieb er stehen. So verging
Stunde um Stunde. Eigentlich wollte er ja auf dem schnellsten Wege in die Eieruhrenfabrik, aber daraus wurde jetzt nichts. Er latschte immer weiter, ohne auf den Weg zu achten. Und dann wurde die Gegend plötzlich sehr unheimlich. Enge Gassen taten sich auf. Links und rechts standen alte, düstere Häuser, aus denen es nach Moder und Unrat roch. Die Eingänge waren dunkle Löcher, die aussahen wie aufgesperrte Rachen von Untieren.
Jimmy schauderte bei diesen Gedanken. Wer mochte in dieser Gegend wohnen? Hin und wieder sah er eine zwielichtige Gestalt. Die Männer hatten die Hände tief in die Taschen vergraben, die Mützen hingen ihnen im Genick, und der unvermeidliche Zigarettenstummel klebte an der Unterlippe.
Wenn der Watsonschlaks solch einer Gestalt begegnete, drückte er sich scheu an die Hauswand. Wohin war er nur geraten? Wenn er doch aus diesem Gewirr von Gassen wieder herausfände! Aber Jimmy fand nicht mehr heraus. Er bereute sehr, sich von den anderen getrennt zu haben. Würde einer der drei plötzlich vor ihn stehen, würde er sogar den Diebstahl freiwillig eingestehen.
Da aber stand plötzlich ein anderer vor ihm! Ein langaufgeschossener Kerl. Auch er hatte eine im Genick hängende Mütze auf und die Hände in den Taschen vergraben.
„Hallo ", sagte der, „wer bist du?"
„Ich — oh — ich — das nein — doch---". Der
Schlaks fand keine Worte, so verdattert war er.
„Wenn du mir nicht gleich "ne vernünftige Antwort gibst, haue ich dir eine in die Schnauze, daß du dich für deine eigene Großmutter hältst!" Die Stimme des Fremden klang scharf. Er musterte Jimmy aus zusammengekniffenen Augen.
„1dl b—b—bin aus So—So—Somerset', brachte der Schlaks endlich heraus.
„Was ist denn das für ein Nest. Nie etwas davon gehört. Was hast du unter der Weste?"
„Ich? Wo?"
,Peng!!' Jimmy hörte die Englein im Himmel singen. Der Kerl hatte ihm eine heruntergehauen, die nicht von schlechten Eltern war.
Der Watsonbengel fing prompt an zu heulen. Der Fremde machte jetzt kurzen Prozeß. Er packte ihn und stieß ihn in einen dunklen Hausgang. Bevor Jimmy einen weiteren Gedanken fassen konnte, saß er schon in einem Kellerloch. Auf einer Kiste brannte eine Kerze, die man auf einen Flaschenhals gesteckt hatte. Rings umher sah es wüst aus. Ein fürchterlicher Gestank nahm ihm fast die Luft zum Atmen.
„Wenn ich Fragen stelle", knurrte jetzt der Fremde, „will ich vernünftige Antworten haben. Zeig her, was hast du da?"
Jimmy reichte ihm die Eieruhr. Der Fremde betrachtete das Ding von allen Seiten. „Was soll das? Was willst du damit?"
„Ich will — nein, ich wollte damit in die Fabrik. Ich meine, ja, was meinte ich doch gleich?" Jimmy wand
sich wie eine Schlange. Er wollte doch nicht verraten, was es mit dem Ding auf sich hatte.
„Du lügst ja wie gedruckt", sagte der Fremde ruhig, „wer lügt, der stiehlt auch. Wette daß du das Ding hier geklaut hast."
..J-j-ja!"
„Na also! Hast es geklaut, und damit gehört der Apparat mir. Wirst dich schon daran gewöhnen, Boy. Wie heißt du?"
„J-j-Jimmy."
Okay. Also, jetzt höre mal zu. Ich hab' 'nen feinen Verein. Lauter Boys, die okay sind. Wenn du mitmachen willst . . ."
»J-j-ja!"
„Freut mich, daß du keine Schwierigkeiten machst. Du kannst auch hier wohnen. Am Tage arbeitest du fleißig. Wir können alles gebrauchen, was nicht niet-und nagelfest ist, verstanden?"
.-J-j-ja!"
„Du lieferst aber alles schön bei mir ab. Dafür bekommst du freies Essen und Prozente vom Erlös. Für die Eieruhr gebe ich dir einen halben Penny. Mehr ist sie nicht wert."
„Doch! Sie ist viel mehr wert." Jimmy gewann langsam wieder Mut. „Ich gebe die Eieruhr nicht aus der Hand. Sie gehört mir!"
Der Fremde lachte schallend. So ganz nebenbei faßte er in Jimmys Haarschopf und zog den Schlaks hin und her. Der quiekte auf wie ein Schweinchen, das man am Schwanz zupft.
„Du bist ein kleiner Schelm", feixte der Fremde, „wenn ich was haben will, bekomme ich es auch so, verstanden? Du wirst mich noch
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