Das Pete Buch 25 - Das wird ne Sache
kommen davon, daß ich beim Malen ein Schinkenbrot aß. Der Mensch bekommt beim Arbeiten ja auch ab und zu mal Hunger, nicht? Tut aber nichts. Tut ganz und gar nichts. Alte Dokumente haben immer Dreckflecken; das kannst du in jedem Geschichtsbuch lesen. Bis es fertig ist, sind noch viel mehr drauf. Warte erst mal ab — ich zieh' das Ding hinterher noch durch den Staubeimer und den Kohlenkasten — dann ist's erst richtig!"
„Kann ja kein Mensch lesen, was du da fabrizierst", stellte Conny fest, nachdem er Sams Schrieb eingehender studiert und dabei mehrere Male den Kopf geschüttelt hatte.
„Das ist eben der Witz! Das ist die Genialität an der Sache! Köpfchen muß man schon haben. Wenn man's lange genug beguckt und nicht gar zu dämlich ist, fällt's einem auf einmal wie Schuppen von den werten Augen. Dann weiß man, was es bedeutet."
„Hm ja —" meinte Conny skeptisch. Er dachte hin und her; endlich fragte er schon weniger interessiert: „Und wie soll's nun weitergehen?"
*
Joe Jemmery erlebte am anderen Morgen, als er von der Pritsche sprang, eine große Enttäuschung: sein erster Blick galt den Schüsseln, die er dem kleinen Hund hingestellt hatte. Es war alles noch unberührt; das Tierchen hatte weder gefressen noch getrunken. Regenwurm ließ sich auf den Bauch fallen und spähte unters Bett.
In der äußersten Ecke, dicht an die Wand gepreßt, da, wo es am dunkelsten ist, hockte das kleine Viehzeug und rührte sich nicht. Aus grünlich schillernden Augen schaute es Joe unverwandt an; seine Blicke waren das einzige, was verriet, daß noch Leben in ihm war.
Auch Pete besah die Schüsseln und schüttelte den Kopf. „Hoffentlich geht's gut! Wenn er nichts annimmt, geht er ein. Hoffen wir, daß ihn der Hunger doch noch dazu treibt, an den Freßnapf zu gehen! Er ist ja noch so jung."
„Joks!" lockte inzwischen Joe in den sanftesten Tönen. „Komm doch raus, Joks! Merkst du denn nicht, daß wir es gut mit dir meinen? Sei nicht so dumm und friß — hast es ja bei uns tausendmal besser als in der Wildnis!"
Aber der Hund blieb mißtrauisch. Seine Augen belauerten jede Bewegung, die der Junge tat; sonst rührte er sich immer noch nicht.
Pete schmunzelte. Schließlich wurde Joe die Sache zu langweilig; er kroch unter das Bett. Kaum war er darunter verschwunden, als er auch schon aufschrie: „Das Biest hat ja schlimmere Krallen als 'ne Katze! Und das Tollste an der Geschichte ist: er weiß schon genau, wie er damit umzugehen hat!"
Dann gab es ein gewaltiges Rumoren; schließlich kam Joe mit hochrotem Kopf wieder zum Vorschein. Quer über sein Gesicht zog sich eine brennende Schramme. Jetzt, wo er das Tierchen festhielt, war es gar nicht mehr so angriffslustig; es zitterte nur so vor Angst und mauzte leise. „Er wollte tatsächlich ausreißen", stellte Joe bewundernd fest. „So klein und schon so durchtrieben! — Er hat die ganze Nacht an der Balkenwand herum genagt! Natürlich bekam er sie nicht durch."
Er tätschelte den Kopf des kleinen Hundes. „Warum willst du denn durchaus fort? Merkst du denn nicht, daß wir nur dein Bestes wollen? Sei doch nicht blöd!"
Er trug den Kleinen ins Freie und setzte ihn zu Boden. Dabei benahm er sich etwas ungeschickt; er hielt den Riemen nicht fest genug, und der Kleine schien die Chance zu wittern. — Plötzlich entwetzte er ihm.
In der nächsten Sekunde jagten vier Jungen wie die Wilden hinter dem kleinen Kerl her. „Joks!" schrie Regenwurm verzweifelt. „Wenn du mir das antust, Joks, dann —!"
Joks aber rannte, ohne zu wissen, wohin. Nach wenigen Minuten erreichte er die breite Wasserrinne, die, ungefähr fünfzig Zentimeter tief, auf beiden Seiten von Bretterwänden eingefaßt, in der Nähe der Hütte vorüber führte. Man hatte das Wasser einer kleinen Bergquelle aufgefangen, um es als Tränke zu benutzen. Joks erkannte das Hindernis erst im letzten Augenblick, stutzte, warf sich zurück — doch er konnte seinen Schwung nicht mehr abbremsen. Er rutschte über den schlüpfrigen Bretterrand und lag in der nächsten Sekunde im Wasser.^Jaulend paddelte er mit allen vieren wie wild darauflos. Aber die Strömung war doch zu stark; es war dem Kleinen nicht möglich, gegen sie anzukommen; er wurde mitgerissen und segelte in rascher Fahrt davon.
Die Jungen liefen rechts und links der Rinne neben ihm her. „Wir müssen ihn kriegen, ehe er über den Abfluß gerät!" rief Joe aufgeregt. Er hatte recht: die Rinne wurde an ihrem Ende durch eine niedrige
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