Das Pete Buch 30 - Der Kaiser von Hollywood
Geschwätz so toll, daß er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Ach, wenn er sie doch mit einem donnernden Machtwort hinauswerfen könnte! Aber das ging ja nicht! Erstens durfte er Sugars Plan nicht verraten, und zweitens — was sollte das Town denken, wenn er in Mrs. Poldis Kleidern entlarvt wurde? Das Gelächter würde so erbarmungslos auf ihn hernieder prasseln, daß ihm der Tod leichter schien als diese unauslöschliche Schande.
„Mrs. Malcolm!" fing die entsetzliche Mrs. Settler von neuem an. „Hier ist etwas nicht in Ordnung! Sehen Sie, wie Mrs. Poldi der Kopf auf die Brust fällt! Und dabei diese verrückte Häkelei im leeren Raum! Ich kriege meine Zustände, wenn das noch eine Minute so weitergeht!"
„Und", rief Mrs. Malcolm, die von der Angst ihrer Nachbarin angesteckt wurde, „da klebt Blut an Mrs. Poldis Hand! — Mrs. Poldi! Oh weh, oh weh! Sind Sie verletzt? Sagen Sie doch ein Wort!"
Das Blut rührte natürlich von dem Stich mit der Stopfnadel her, und es war wirklich eine böse Verletzung.
„Hier liegt auch eine zersplitterte Vase!" meldete sich Mrs. Settler wieder. „Ach, Mrs. Malcolm, halten Sie mich fest, ich falle gleich um! Hier ist ein Verbrechen passiert!"
„Aber Mrs. Poldi lebt doch", wandte Mrs. Malcolm zitternd ein. „Liebe, über alles geschätzte Mrs. Poldi, jagen Sie uns arme Lämmer nicht so in Angst! Gönnen Sie uns nur ein einziges, winziges ,Guten Abend'!"
Old John war mit seinem Witz am Ende, zumal sich jetzt auf der Straße ein wüster Lärm erhob.
„Wir wollen zum Kaiser von Hollywood!" rief ein Chor lustiger Jungenstimmen. „Er soll richtig gekrönt werden! Kaiser von Hollywood, komm ans Fenster!"
Die beiden Frauen blickten sich sprachlos an. Dann kreischten sie auf, als hätten sie eine Maus erblickt. Denn nun stürzte Jimmy ganz überraschend ins Zimmer, und Betty Flannagans Kleid umrauschte ihn wie die Fittiche einer Fledermaus.
„Onkel!" rief der Schlaks und bemühte sich vergeblich, seine Stimme mädchenhaft erklingen zu lassen. „Ach so — liebe Tante! Tante John! Vor dem Haus ist so'n Spektakel, und als ich durch's Schlüsselloch linste, sah ich blutigen Fackelschein. Ich glaube, es geht los! Ach, Onkeltantchen!"
Der Hilfssheriff ließ die Häkelnadeln fallen und packte verzweifelt das Kleid. Verdammt! Wenn er doch bloß seinen geliebten Colt ziehen könnte!
„Betty!" schrie Mrs. Malcolm auf. „Du siehst ja so
komisch aus! Und was für eine Stimme hast du! Oder bist du gar nicht Betty?"
„Kaiser raus! Kaiser raus!" brüllten die Jungen auf der Straße — es war natürlich der Bund der Gerechten mit Pete an der Spitze, alle mit lodernden Fackeln in der Hand; nur Sam fehlte merkwürdigerweise. Und dann erhob sich ein wildes, ohrenbetäubendes „Caram-ba! Caramba!" — Der ,Bund der Tapferen' griff gleichfalls in die Ereignisse ein.
Mrs. Settler zitterte wie Espenlaub. Aber es ging ihr genauso wie ihrem Herrn und Gebieter: die Neugier war stärker in ihr als alles andere. Sie machte kurz entschlossen drei lange Schritte auf Mrs. Poldi zu, bückte sich, um ihr von unten ins Gesicht zu sehen und — stieß einen grauenvollen Schrei aus. Zwar hatte sie nicht erkannt, daß sie es mit John Watson zu tun hatte; denn der Amtsgewaltige schnitt rechtzeitig eine furchtbare Grimasse und steckte lang die Zunge heraus. Aber daß es sich um einen Mann handelte, das verrieten die Bartstoppeln!
„Hilfe, Hilfe!" gellte Mrs. Settler. „Verbrecher! Räuber! Mrs. Poldi ist ermordet worden! Da sitzt der Täter!"
„Hurra! Yipee! Hoch! Wo ist der Kaiser?" dröhnte es draußen herein; und dann rollte es wie ein Ungewitter: „Caramba, caramba, caramba!" An allen Fenstern zeigten sich bereits Lichter und verstörte Gesichter. Außerdem kam ein entsetzlicher Lärm aus dem Sheriffsoffice.
„Hierher, Bürger! John Watson ist tot!" heulte eine Männerstimme. „Ergreift den Mörder!"
Somerset stand also wieder einmal Kopf. Die Bürger
strömten zusammen. Es ging rund. Nur der Hüter des Gesetzes und sein Anwärter regten sich nicht. Sie standen wie gelähmt in Mrs. Poldis Wohnzimmer und glotzten sich hilflos an; John vergaß sogar, die Zunge wieder in ihre Behausung zurückzuziehen, und bot somit seinem Neffen ein Musterbeispiel schlechten Benehmens, während Mrs. Malcolm und Mrs. Settler, von der Panik gepeitscht, auf die Straße hinaus flüchteten.
„Mrs. Poldi ist tot! — John Watson ist ermordet! — Yipee! Hurra! Caramba! Wir wollen den Kaiser
Weitere Kostenlose Bücher