Das Peter-Prinzip
Nr. 5:
der paternalistische Zugang
Manche Eigentümer altmodischer Familienunternehmen be‐
handelten ihre Söhne wie normale Angestellte. Sie fingen ganz
unten in der Hierarchie an und stiegen dann entsprechend dem
Peter‐Prinzip auf. In diesem Fall wogen die Liebe des Eigentümers zu seiner Hierarchie, sein Wunsch, ihre Leistungsfähig‐
keit und Ertragskraft zu erhalten, sowie sein starkes Gerechtig‐
keitsgefühl seine natürlichen familiären Gefühle auf.
Viele Unternehmer vertrauten ihren Söhnen aber auch von
Anfang an Führungspositionen an, in der Hoffnung, dass sie auch ohne den Dienst «von der Pike an» einmal das Oberkom-mando übernehmen oder — wie man so schön sagt — in die
Schuhe ihres Vaters schlüpfen könnten.
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Diese Art des Eintritts in eine Hierarchie nenne ich den paternalistischen Zugang.
Es gibt zwei wichtige Spielarten des paternalistischen Zu‐
gangs (P.Z.).
P. Z.-Methode Nr. 1
Ein bereits in der Hierarchie beschäftigter Arbeitnehmer
kann entlassen oder durch die seitliche Arabeske beziehungsweise eine geräuschlose Sublimierung aus seiner bisherigen
Position entfernt werden, um für den Neuling Platz zu machen.
Weniger gebräuchlich als Methode Nr. 2, kann diese Technik leicht eine starke Abneigung gegen den Neuernannten hervorrufen.
P. Z.-Methode Nr. 2
Für den neuen Mitarbeiter wird eine spezielle Position mit einem eindrucksvollen Titel geschaffen.
Erläuterungen der Methode
Der paternalistische Zugang ist nur ein kleines Beispiel für die Verhältnisse in einem Klassensystem, bei dem einige bevor-zugte Individuen in eine Hierarchie gleich oberhalb einer
gewissen Klassengrenze eintreten, statt von ganz unten anzu-fangen ∗ . Die Aufnahme neuer Mitarbeiter auf einer höheren Ebene der Hierarchie kann unter Umständen die Leistungsfähigkeit erhöhen. Der paternalistische Zugang erregt deshalb außerhalb der Hierarchie kein Missfallen.
Bei den anderen Mitgliedern der Hierarchie wird das Er‐
scheinen protegierter Neulinge dagegen einen gewissen Wi‐
derstand hervorrufen. Die Beschäftigten haben nämlich eine
Schwäche für den Beförderungsmechanismus, dem sie selber
ihren Aufstieg verdanken und von dem sie sich auch in Zu‐
∗ Eine ausführliche Darstellung der Hierarchien in einem Klassensystem findet sich in Kapitel 7.
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kunft weitere Beförderungen versprechen. Sie lehnen deshalb
häufig andere Methoden der Ämtervergabe ab.
Der paternalistische Zugang heute
Das Familienunternehmen, das von einem Mann beherrscht
wird, der über die Autorität verfügt, seinen Sohn an der Spitze
unterzubringen, ist heute zu einer Rarität geworden. Dennoch wird der paternalistische Zugang immer noch in genau der
gleichen Art praktiziert. Der einzige Unterschied ist, dass der Eindringling nicht mehr mit demjenigen, der ihn ernennt,
verwandt sein muss.
Akte Paternalistischer Zugang, Fall Nr. 7 A.Purefoy, Direktor der Gesundheitsbehörde der Stadt Excelsior, stellte am Ende
des Haushaltsjahres fest, dass er noch über einige unausgenutz‐
te Etatposten verfügte. Es hatte keine Epidemien gegeben, der Excelsior‐Fluss war nicht wie üblich über die Ufer getreten und
hatte deshalb nicht das Abwassersystem verschlammt. Über‐
dies waren die beiden Abteilungsleiter Purefoys (einer für
Gesundheitswesen, der andere für Hygiene) gewissenhafte,
kompetente und sparsame Männer.
Die vorgesehenen Etatmittel waren also nicht ausgegeben
worden, und Purefoy erkannte, dass ihm im folgenden Jahr we‐
niger Geld bewilligt werden würde, wenn er nicht bald etwas unternähme. Er entschloss sich deshalb, eine dritte Abteilungsleiter‐Position zu schaffen, deren Inhaber ein Anti‐Schmutz‐
und Stadtverschönerungsprogramm organisieren sollte. Um
den neuen Posten zu besetzen, engagierte er W Pickwick, einen
jungen Mann, der gerade an der Wirtschaftsakademie sein Diplom erworben hatte, an der Purefoy früher selbst studiert hatte.
Pickwick richtete seinerseits wiederum elf neue Planstellen
ein: einen Müll‐Rat, sechs Müll‐Inspektoren, drei Sekretärinnen
und einen Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit.
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N.Wordsworth, der Public‐Relations‐Manager, organisierte
Aufsatzwettbewerbe für Schüler und veranstaltete für Er‐
wachsene Ausschreibungen für die besten Plakatentwürfe und
Werbeslogans. Außerdem gab er zwei Filme in Auftrag — ei‐
nen zur Propagandierung des
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