Das Peter-Prinzip
ebenfalls zu ihrer Stufe der Unfähigkeit aufsteigen. Der scheinbar einzige Ausweg
ist dann abermals eine Erhöhung des Personalbestandes. Es
folgt ein neuer Zwischenspurt und ein weiterer schrittweiser Rückfall in die Ineffektivität.
Das ist der Grund, weshalb es keine direkte Beziehung
zwischen der Zahl der Mitarbeiter und der geleisteten nützlichen Arbeit gibt. Die Vermehrung des Personals kann nicht durch Parkinsons Verschwörungstheorie erklärt werden. Sie
resultiert aus dem ehrlichen, wenn auch vergeblichen Bemühen
der höher gestellten Mitglieder der Hierarchie, die Leistung zu
steigern.
Ein weiterer Punkt: Parkinson gründete seine Theorie auf der
Cheops‐ oder Feudal‐Hierarchie.
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Der Grund dafür liegt darin, dass Parkinson seine Ent‐
deckung bei der Armee machte, wo überholte Traditionen und
Organisationsmethoden ihre stärkste Stütze finden.
Natürlich ist die Feudal‐Hierarchie noch nicht ausgestorben,
aber ein vollständiges hierarchologisches System muss auch die
Existenz verschiedener anderer hierarchischer Gebilde zur
Kenntnis nehmen und erläutern. So gibt es beispielsweise die fliegende T‐Formation:
Dieses Diagramm zeigt deutlich, dass das traditionelle Pyra‐
midenmodell zu einem Unternehmen mit drei Hauptabtei‐
lungen, 23Vizepräsidenten und einem Präsidenten nicht recht
passt.
(In dieser jüngsten Abwandlung wurden die Angestellten,
die sonst die breite Basis der Pyramide bilden, durch einen Computer ersetzt.)
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Viele Abteilungen werden durch einen Computer unter‐
stützt, wodurch eine umgekehrte Pyramide entsteht. Eine
ähnliche Figur ergibt sich, wenn zahlreiche Führungskräfte,
Aufsichtspersonen und das Verkaufspersonal von einem weit‐
gehend automatisierten Produktionsapparat unterstützt wer‐
den.
In Kapitel 3 habe ich bereits den frei schwebenden Gipfel beschrieben. Diese Situation entsteht, wenn ein Direktor für eine nicht existierende Abteilung zuständig ist oder wenn das Personal einer anderen Behörde zugeteilt wird und nur der
Chef einsam in seinem Büro zurückbleibt.
Bedauerlicherweise sind Parkinsons Untersuchungen nicht
weit genug getrieben worden. Es ist richtig, dass die Arbeit gestreckt werden kann, um die zur Verfügung stehende Zeit
auszufüllen. Sie kann aber noch weit darüber hinausgehen und
zählebiger sein als die Organisation selber. Ein Unternehmen kann Pleite machen, eine Regierung gestürzt werden, eine Zivilisation in die Barbarei zurückfallen, während die Unfähigen immer noch weiterarbeiten. Wir müssen deshalb Parkinsons so
plausibel erscheinende Theorie beiseite lassen. Dennoch ist ihm
große Anerkennung dafür zu zollen, dass er die Aufmerk‐
samkeit auf ein Phänomen gelenkt hat, das nun zum ersten Mal
durch das Peter‐Prinzip wissenschaftlich erklärt werden kann.
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9. Die Psychologie der Hierarchologie
Ach, ihres Schicksals unkundig
Scherzen die armen Opfer.
T. Cray
Nach einer meiner hierarchologischen Vorlesungen über‐
reichte mir ein Student einen Zettel mit folgenden Fragen:
«Warum geben Sie uns keinen Einblick in die geistige Verfas-sung des unfähigen Bummelanten, den Sie so farbig schildern?
Ist sich der Angestellte, der die letzte Sprosse der Leiter seiner Karriere erklommen hat, seiner eigenen Unfähigkeit bewusst?
Akzeptiert er sein Parasitentum? Weiß er, dass er seinen Arbeitgeber beschwindelt, seine Untergebenen frustriert und wie ein Krebsgeschwür an der ökonomischen Grundlage der Gesellschaft frisst?» In jüngster Zeit habe ich viele derartige Fragen erhalten.
Ein leidenschaftsloser Überblick
Zunächst muss ich betonen, dass Hierarchologie eine Gesell-schaftswissenschaft ist und als solche objektive Kriterien statt gefühlsbetonter Begriffe wie «Bummelant», «Parasit», «schwin-deln» oder «Krebsgeschwür» verwendet. Die Frage nach der
Einsicht ist dennoch der Betrachtung wert. Ich habe mich der Verhaltensforschung als objektiver Beobachter zugewandt. Ich
entdeckte das Peter‐Prinzip, indem ich das Verhalten der Men‐
schen in der Öffentlichkeit studierte. Dabei habe ich Introspektion oder Rückschlüsse auf das Innenleben anderer Men‐
schen vermieden.
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Spieglein, Spieglein an der Wand
Dennoch ist ein Blick ins Innere interessant: «Erkennt das In‐
dividuum seine eigenen Grenzen?»
Die Antworten, die ich auf diese Frage zu geben vermag, sind
subjektiv und ermangeln der wissenschaftlichen Strenge, die
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