Das Peter-Prinzip
Doktrin von der unbewussten Motivation ablehnt. Er beschreibt menschliches Verhalten als unbewussten Drang, andere Leute auszustechen, über die Umstände
zu triumphieren und so eins‐höher zu kommen. Ebenso weist
Potter Freuds Dogma zurück, dass der frustrierte Patient fach‐
männische Hilfe braucht. Er legte eine neue Art Do‐it‐yourself‐
Psychologie dar. Er lehrt verschiedene Tricks, Kniffe und Spiel‐
chen, die den Patienten, der den rechten Gebrauch davon
macht, befähigen, eins‐hochzukommen.
Um Potters elegant dargelegte Theorie zusammenzufassen:
Die Eins‐hoch‐Leute — der Lebenskünstler, der Spieler — ver‐
wenden alle verschiedene anstößige Techniken, um sich in ge‐
sellschaftlichen, geschäftlichen, beruflichen oder sportlichen Hierarchien nach oben zu hangeln.
Potter schreibt so unterhaltsam, dass man leicht die zentrale
Schwäche seines Systems übersieht. Sie liegt in der Annahme, dass der Eins‐hoch‐Mann nur genügend Tricks lernen muss,
um beständig aufzusteigen und dauernd eins‐hoch zu sein.
In Wirklichkeit kann auch noch so viel Eins‐Hochkommen
niemanden über seine Stufe der Unfähigkeit hinaus befördern.
Das einzige Ergebnis dieser Technik kann sein, ihm dazu zu verhelfen, diese Stufe früher als sonst zu erreichen. Einmal dort
angekommen, befindet er sich in einer Eins‐runter‐Situation, aus der ihn noch so viel Lebenskunst nicht mehr befreien kann.
Beständiges Glück kann man nur dadurch erlangen, dass
man die letzte Beförderung vermeidet. Dazu sollte man sich eine Sprosse auf der Karriereleiter aussuchen, wo man das
«Eins‐Hochkommen» aufgibt und stattdessen das praktiziert,
was Potter das «Einmal‐Aufhören» genannt haben würde. Ich
werde später, im Kapitel über schöpferische Unfähigkeit, darauf hinweisen, wie das zu schaffen ist. Inzwischen muss ich aber Potter als einen wirklich großen Theoretiker ehren, der 88
geschickt die Lücke zwischen der Freud’schen Ethik und dem Peter‐Prinzip überbrückte.
Der bedeutende Sozialtheoretiker C. N. Parkinson hat das
Phänomen der Personalanhäufung in Hierarchien treffend be‐
obachtet und amüsant geschildert. Aber er versucht die wachsende Pyramide, wie er sie nennt, damit zu erklären, dass Vor‐
gesetzte die Strategie des «Teile und herrsche» anwenden und so die Hierarchie ineffektiv machen, nur um sich selber zu erhöhen.
Diese Theorie stimmt aus folgenden Gründen nicht:
Erstens unterstellt sie Absicht und planmäßiges Handeln
aufseiten der Vorgesetzten. Meine Untersuchungen zeigen aber,
dass viele leitende Angestellte oder Beamte unfähig sind,
irgendeinen brauchbaren Plan zu formulieren, sei es um zu
teilen, zu herrschen oder irgendein anderes Vorhaben durch‐
zuführen.
Zweitens ist das Phänomen, das Parkinson beschreibt —
Überbesetzung und Unterproduktion —, häufig den Interessen
des leitenden Personals und des Managements diametral ent‐
gegengesetzt. Die Leistung sinkt so stark ab, dass das Unterneh‐
men zusammenbricht und die Verantwortlichen auf der Straße
liegen. In öffentlichen Hierarchien werden sie von Parlaments‐
ausschüssen oder Untersuchungskommissionen geplagt und
gedemütigt, die Verschwendung und Unfähigkeit ans Tages‐
licht zerren. Man kann sich kaum vorstellen, dass sie sich selber
absichtlich auf diese Art schaden wollen.
Drittens ist der Gewinn des Unternehmens (von anderen
Dingen einmal abgesehen) umso höher, je weniger Geld für die
Löhne der Untergebenen aufgewendet wird. Umso mehr Geld
steht dann für Gehälter, Bonus, Dividende und sonstige Ver-günstigungen zugunsten der Führungsspitze zur Verfügung.
Wenn die Hierarchie mit tausend Angestellten funktioniert, hat
das Management wenig Anlass, zwölfhundert zu beschäftigen.
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Nehmen wir jedoch einmal an, die Hierarchie arbeitet mit
tausend Angestellten nicht befriedigend. Wie das Peter‐Prinzip
zeigt, befinden sich viele oder die meisten der leitenden Männer auf ihrer Stufe der Unfähigkeit. Sie können nichts mehr tun,
um die Lage mit Hilfe der bereits vorhandenen Belegschaft zu
verbessern. Jeder gibt ja schon sein Bestes. In dem verzweifelten
Bemühen, die Leistung dennoch zu steigern, heuern sie neue Leute an. Wie in Kapitel 3 gezeigt wurde, kann eine Erhöhung
der Mitarbeiterzahl eine zeitlich begrenzte Verbesserung mit sich bringen. Aber der Beförderungsmechanismus wirkt sich
bald auch bei den Neulingen aus, die dann
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