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Das Phantom der Freiheit

Das Phantom der Freiheit

Titel: Das Phantom der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Luif
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Schreibtisch, setzte sich und nahm ein Päckchen Zigaretten heraus. Er hielt eine zwischen nikotingelben Fingern und verhielt einen Moment, Leere in den Augen. Dann zündete er die Zigarette an, begann heftig zu paffen und wandte sich seiner Post zu. Als technischer Leiter der zentralen Aufzeichnungsstelle erhielt er eine großzügig bemessene Tabakration, die er auch verbrauchte.
    Das Büro war nicht groß – ein fensterloser Raum, mit spärlich-nüchterner Ordentlichkeit möbliert. Der einzige Schmuck waren ein Bild seines Sohnes und eins von seiner verstorbenen Frau. Thornberg war groß und hager, mit einem schmalen, langen Gesicht und ordentlich gescheiteltem ergrauendem Haar. Er trug die Uniform der Sicherheitspolizei mit den Insignien der Technischen Abteilung und seines Majorsranges, aber keine weiteren Dekorationen und keine von den Kordeln, auf die er Anspruch hatte. Die Priesterschaft der Maschine Matilda war dieser Tage ein ziemlich zwangloser Verein.
    Er arbeitete sich durch die Post. Es waren alles Routinesachen und behandelten größtenteils die notwendigen Veränderungen für die Einführung des neuen Indentifikationssystems. »Kommen Sie, June«, sagte er. Er diktierte seine Briefe lieber ihr als dem Diktiergerät. »Bringen wir diesen Kram schnell hinter uns, ich habe Arbeit.«
    Er hielt einen Brief vor sich. »An Senator E. W. Harmison, S.O.B., Washington. Sehr geehrter Herr Senator: In Beantwortung Ihres Schreibens vom 14. dieses Monats, mit dem Sie meine persönliche Meinung über das neue Identifikationssystem erbaten, möchte ich sagen, daß es nicht Sache eines Technikers ist, Meinungen auszudrücken. Die Direktive, daß jeder Bürger eine Nummer erhalten soll, unter der seine gesamten persönlichen Papiere, Daten und Funktionen – Geburtsurkunde, Ausbildung, Lebensmittelkarten, Sozialversicherung, Militärdienst etc. – von den EDV-Systemen erfaßt werden können, hat offensichtliche langfristige Vorteile. Organisation und Verwaltung werden vereinfacht, Verwechslungen bei Namensgleichheit ausgeschlossen. Natürlich bringt die Umstellung unserer elektronischen Speichereinrichtungen einen erheblichen Arbeitsaufwand mit sich, doch nachdem der Präsident entschieden hat, daß die zu erwartenden Vorteile solche vorübergehenden Schwierigkeiten rechtfertigen, sind alle Bürger zum Gehorsam verpflichtet. Mit vorzüglicher Hochachtung.« Er lächelte mit einer gewissen Kälte. »So, damit ist er gut bedient. Ich weiß sowieso nicht, wozu der Kongreß gut sein soll. Anständige Bürokraten behelligen, das ist alles, was sie machen.«
    Junge beschloß insgeheim, dem Brief eine etwas verbindlichere Form zu geben. Vielleicht war ein Senator nur ein politischer Hampelmann, aber man konnte ihn nicht so kühl abfertigen. Es gehört zu den Aufgaben einer guten Sekretärin, den Chef vor unnötigem Verdruß zu bewahren.
    »Der nächste Brief geht an Oberst M. R. Hubert, Direktor der Verbindungsabteilung, Hauptquartier der Sicherheitspolizei, et cetera«, sagte Thornberg, den zweiten Brief in der Hand. »Sehr geehrter Herr Oberst: In Beantwortung Ihres Schreibens vom 14. dieses Monats, mit dem Sie einen genauen Fertigstellungstermin für die Umstellung auf das neue ID-System erbitten, muß ich zu meinem größten Bedauern erklären, daß es mir gegenwärtig unmöglich ist, diesem Ersuchen nachzukommen. Es ist erforderlich, ein modifiziertes Speichereingabegerät zu entwickeln, das die Umstellung des gesamten Datenmaterials erlaubt, ohne daß es nötig wird, jede einzelne der rund dreihundert Millionen Magnetspeichertafeln herauszunehmen und abzuändern. Sie werden sicherlich verstehen, daß man den genauen Zeitaufwand für ein solches Projekt nicht voraussagen kann. Immerhin sind bei den Entwicklungsarbeiten zufriedenstellende Fortschritte zu verzeichnen (erinnern Sie ihn an meinen letzten Bericht, ja?), und ich kann mit einiger Zuversicht sagen, daß die Umstellung in spätestens zwei Monaten abgeschlossen sein wird. Bis dahin werden dann auch alle Bürger von ihren Nummern verständigt sein. Ich hoffe, daß Ihnen mit dieser Angabe gedient sein wird. Respektvollst, und so weiter. Bringen Sie das in eine nette Form, June.«
    Sie nickte. Thornberg arbeitete sich weiter durch seine Post und warf das meiste davon, mit kurzen Randnotizen versehen, in einen Ablagekorb, der alles aufzunehmen pflegte, was sie allein beantworten konnte. Als er fertig war, gähnte er und zündete sich eine weitere Zigarette an.

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