Das Phantom im Netz
Wir nahmen noch Mark Ross mit, der sich mit Telefonsystemen auskannte und den wir für vertrauenswürdig hielten.
Unterwegs hielten wir an einer Drogerie und kauften Einmalhandschuhe und Taschenlampen, bevor wir zum COSMOS-Gebäude weiterfuhren. Wir fanden im Müll ein paar ganz interessante Sachen, aber nichts wirklich Aufregendes. Nach etwa einer Stunde gaben wir enttäuscht auf, und ich schlug vor: »Warum versuchen wir nicht einfach reinzukommen?«
Die beiden anderen wollten mich allein vorschicken. Ich sollte ihnen per Tonsignal über mein Handfunkgerät Bescheid geben, wenn ich den Wachmann überredet hatte, uns reinzulassen. Aber nicht mit mir. Entweder alle drei oder keiner.
Wir gingen rein. Der junge Wachmann sah aus, als würde er zu viel kiffen. Ich sagte: »Hey, wie geht‘s? Ich arbeite hier und wollte meinen Freunden mal meinen Arbeitsplatz zeigen.«
»Kein Problem«, meinte der Wachmann. »Tragen Sie sich einfach in die Liste ein.« Er wollte nicht mal unsere Ausweise sehen. Besser konnte es nicht laufen.
Da wir schon etliche Male mit verschiedenen Abteilungen der Telefongesellschaft telefoniert und ihre Arbeitsabläufe analysiert hatten, wussten wir, wo die COSMOS-Leute arbeiteten: »Raum 108« tauchte immer wieder in der internen Kommunikation von Pacific Telephone auf. Es war kein Problem, ihn zu finden.
COSMOS. Der Hauptgewinn. Der Jackpot.
In einem Ordner im Regal fanden wir Listen mit Einwahlnummern für jeden Anschlussbereich in Südkalifornien. Die Listen sahen aus wie die Hochglanzbroschüren »Zum Mitnehmen« beim Arzt. Ich konnte es kaum fassen. Von einem solchen Fund hatte ich immer geträumt.
Jede Vermittlungsstelle ist für mindestens einen Anschlussbereich zuständig. Für jeden Anschlussbereich gibt es in der Vermittlungsstelle einen Hauptverteiler. Mit den Einwahlnummern für alle Anschlussbereiche und den Login-Daten konnte ich alle Telefonleitungen im gesamten Versorgungsgebiet von Pacific Telephone in Südkalifornien kontrollieren.
Was für ein fantastischer Fund! Aber ich brauchte noch die Passwörter der Administratoren. Ich sah mich im Raum ein bisschen um, zog mehrere Ordner aus den Regalen und schaute in die Schubladen der Schreibtische. In einem Ordner fand ich schließlich eine Seite mit der Überschrift »Passwörter«.
Hallo, was haben wir denn da? Ein breites Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus.
Jetzt hätten wir besser gehen sollen.
Aber ich fand danach noch einen Stapel COSMOS-Handbücher, und die Versuchung war einfach zu groß. In diesen Handbüchern stand alles, was wir brauchten, angefangen bei der Anleitung zur korrekten Formulierung von Anfragen mit den kryptischen internen Befehlen bis zu detaillierten Informationen über die Funktionsweise des Systems. Heute findet man das alles im Internet. Aber damals gab es diese Informationen nur in solchen Handbüchern.
Ich sagte zu den Jungs: »Wir fahren jetzt mit den Handbüchern zu einem Copyshop, machen drei Kopien und bringen die Bücher dann wieder zurück, bevor irgendjemand merkt, dass sie weg sind.«
Der Wachmann sagte kein Wort dazu, dass wir mit leeren Händen gekommen waren, jetzt aber mit zahlreichen Handbüchern das Gebäude wieder verließen. Ein paar davon hatten wir in eine Aktentasche gestopft, die Lewis in einem Büro gefunden hatte.
Die Handbücher mitzunehmen, war eine der dümmsten Entscheidungen meines Lebens.
Wir fuhren eine Weile herum und suchten einen Copyshop, fanden aber keinen. Ein Copyshop hatte um zwei Uhr morgens normalerweise auch nicht offen. Außerdem war es ohnehin viel zu riskant, noch einmal in das Gebäude der Telefongesellschaft zurückzukehren, um die Handbücher zurückzubringen, auch wenn die Schicht des Wachmanns inzwischen zu Ende war. Der kleine Mann in meinem Ohr, der mir sonst zuverlässig spontane und plausible Ausreden lieferte, ließ mich diesmal schmählich im Stich.
Also nahm ich die Handbücher mit nach Hause, fühlte mich aber nicht wohl dabei. Ich steckte sie in ein paar große Müllsäcke und gab sie Lewis, der sie irgendwo versteckte. Ich wollte gar nicht wissen, wo.
Obwohl Lewis und Susan Thunder nicht mehr zusammen waren, sahen sie sich ab und zu, und er war nach wie vor ein Angeber. Er konnte seinen Mund einfach nicht halten, selbst wenn er sich oder seine Freunde damit in Schwierigkeiten brachte. Er erzählte Susan von den Handbüchern, und sie verpfiff uns bei der Telefongesellschaft.
In jenem Sommer arbeitete ich als Telefonist in
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