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Das Phantom von Manhattan - Roman

Titel: Das Phantom von Manhattan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth Wulf Bergner
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aufzwingen, indem es Vergeltungsmaßnahmen androhte, wenn man ihm nicht gehorchte. Der Mann und die Gerüchte, die sich um ihn rankten, machten uns allen angst, aber ich hatte nicht geahnt, daß er meine heutige Herrin liebte. Ich fragte sie nach dem Affen, der diese eindringliche Melodie spielt.
    Sie sagte, sie habe erst ein Spielzeug dieser Art gesehen, und ich bin davon überzeugt, daß das in jenen Stunden war, die sie mit dem Ungeheuer in den Kellern verbracht hat. Das muß der Spielzeugaffe sein, den ich damals selbst auf dem leeren Stuhl fand.
    Als der Schlaf sie überkam, wiederholte sie mehrmals: »Er muß wieder dasein« - ganz in der Nähe, wie immer hinter den Kulissen aktiv, ein Genie, genauso beängstigend häßlich, wie Raoul schön ist, der abgewiesene Verehrer, der sie nach New York gelockt hat, um sie wiederzusehen.
    Ich werde tun, was ich kann, um sie zu beschützen, denn sie ist nicht nur meine Arbeitgeberin, sondern auch meine Freundin, und sie ist gut und freundlich. Aber jetzt habe ich Angst, denn dort draußen in der Nacht lauert jemand, und ich fürchte um uns alle: um mich, um Pater Joe, um Pierre und am meisten um Madame.
    Bevor sie einschlief, sagte sie mir noch, um Pierres und Raouls willen müsse sie die Kraft finden, ihn erneut abzuweisen, denn sie ist der Überzeugung, daß er sich schon bald zeigen und wieder sein Recht auf
sie geltend machen wird. Ich bete darum, daß sie diese Kraft aufbringt und die kommenden zehn Tage wie im Flug vergehen werden, damit wir alle diese Stadt verlassen und heil und gesund ins sichere Paris heimkehren können.

12
    DAS JOURNAL DES TAFFY JONES
    Steeplechase Park, Coney Island,
1. Dezember 1906
     
     
     
     
     
    I ch habe einen seltsamen Job, und manche würden sagen, er sei nichts für einen einigermaßen intelligenten Mann mit nicht unerheblichem Ehrgeiz. Aus diesem Grund bin ich oft versucht gewesen, ihn aufzugeben und einer anderen Beschäftigung nachzugehen. Trotzdem habe ich das in den neun Jahren, in denen ich nun schon hier im Steeplechase Park angestellt bin, nie geschafft.
    Zum einen liegt das daran, daß der Job mir, meiner Frau und meinen Kindern materielle Sicherheit bietet. Zum anderen habe ich einfach gelernt, daran Freude zu haben. Ich liebe das Lachen der Kinder und das Vergnügen ihrer Eltern. Ich finde meine Befriedigung in der Ausgelassenheit der Wochenendausflügler, die in den Sommermonaten aus allen Richtungen herbeiströmen, und in der im Gegensatz dazu ruhigen Wintersaison.
    Was meine Lebensverhältnisse betrifft, könnten sie
für einen Mann meines Standes kaum besser sein. Mein Hauptwohnsitz ist ein hübsches Landhaus in der soliden mittelständischen Gemeinde Brighton Beach, kaum eine Meile von meinem Arbeitsplatz entfernt. Außerdem steht mir hier mitten auf dem Rummelplatz ein kleines Blockhaus zur Verfügung, in das ich mich selbst in der Hochsaison für gelegentliche Ruhepausen zurückziehen kann. Mein Lohn ist großzügig bemessen. Seit ich vor drei Jahren aushandeln konnte, daß ich einen winzigen Bruchteil der Tageseinnahmen als Prämie erhalte, bekomme ich jede Woche über hundert Dollar ausbezahlt.
    Als Mann, der bescheiden lebt und kein Trinker ist, lege ich einen Großteil davon zurück, so daß ich eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft in der Lage sein werde, dies alles aufzugeben, zumal meine fünf Kinder aus dem Haus sind und ihren Weg in der Welt machen. Ich nehme meine Blodwyn mit, und wir suchen uns eine kleine Farm, vielleicht an einem Fluß oder See oder sogar am Meer, wo ich je nach Laune Farmer oder Fischer sein kann. Und am Sonntag gehen wir dann in das Gotteshaus und sind veritable Stützen der Gesellschaft. Und so bleibe ich und tue meine Arbeit, wie die meisten sagen, ziemlich gut.
    Denn ich bin der offizielle »Funmaster« im Steeplechase Park. Das bedeutet, daß ich mit meinen extralangen Schuhen, meiner ausgebeulten, buntkarierten Hose, meinem Stars-and-Stripes-Gilet und meinem hohen Zylinder am Parkeingang stehe und die Besucher begrüße. Mehr noch, mit meinem buschigen Backenbart, meinem hochgezwirbelten Schnurrbart
und meinem fröhlichen Begrüßungslächeln locke ich viele herein, die sonst vorbeigegangen wären.
    Durch mein Megaphon rufe ich fortwährend: »Hereinspaziert, hereinspaziert, hier gibt’s die größten Attraktionen, Spaß und Spannung für jedermann, hier gibt’s seltsame und wunderbare Dinge zu sehen, kommen Sie, meine Freunde, und amüsieren Sie sich wie nie

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