Das Phantom von Manhattan - Roman
diese Affen konstruiert, wer stellt sie her?«
Ich zuckte bedauernd mit den Achseln. Malta antwortete an meiner Stelle: »Sie werden alle von einer kleinen Fabrik in New Jersey hergestellt. Aber in Lizenz nach einem patentierten Gebrauchsmuster. Wer sie konstruiert hat, weiß ich nicht.«
Als nächstes fragte die Dame: »Hat einer von Ihnen hier einen seltsamen Mann gesehen? Einen Mann mit breitkrempigem Hut, unter dem der größte Teil seines Gesichts von einer Maske bedeckt ist?«
Bei dieser letzten Frage spürte ich, daß Mr. Malta, der neben mir stand, steif wie ein Ladestock wurde. Ich sah zu ihm hinüber, aber seine Miene war wie versteinert. Deshalb schüttelte ich den Kopf und erklärte ihr, in einem Vergnügungspark gebe es viele Masken: Clownsmasken, Monstermasken, Halloweenmasken. Aber ein Mann, der ständig eine Maske trug, nur um sein Gesicht zu verbergen? Nein, niemals. Daraufhin seufzte sie, zuckte mit den Schultern und schlenderte dann zwischen den Regalen entlang davon, um sich die übrigen Spielsachen anzusehen.
Malta winkte den Jungen zu sich heran und führte ihn in die Gegenrichtung - scheinbar nur, um ihm ein Regal mit aufziehbaren Soldaten zu zeigen. Aber ich begann gewisse Zweifel an diesem eiskalt wirkenden jungen Mann zu hegen, deshalb folgte ich ihnen unbemerkt. Ich achtete darauf, daß stets ein Spielzeugregal zwischen uns blieb. Zu meiner Überraschung und Verärgerung begann mein geheimnisvoller Helfer,
den Knaben, der seine Fragen in aller Unschuld beantwortete, halblaut ins Verhör zu nehmen.
»Warum ist deine Mama eigentlich nach New York gekommen?« fragte er.
»Nun, um in der Oper zu singen, Sir.«
»Gewiß. Aber gibt es sonst keinen Grund? Möchte sie sich vielleicht mit jemandem treffen?«
»Nein, Sir.«
»Und warum interessiert sie sich für Spielzeugaffen, die Musik machen?«
»Nur für einen Affen, Monsieur, und seine Melodie. Aber das ist der, den sie jetzt in der Hand hält. Kein anderer Affe spielt die Melodie, nach der sie sucht.«
»Wie traurig. Und dein Papa, ist der nicht hier?«
»Nein, Sir. Mein lieber Papa ist in Frankreich aufgehalten worden. Er kommt morgen mit dem Schiff an.«
»Sehr gut. Und er ist wirklich dein Papa?«
»Natürlich! Er ist mit Maman verheiratet, und ich bin sein Sohn.«
Ich fand Maltas Fragen nun wirklich zu dreist und wollte gerade einschreiten, als etwas Merkwürdiges geschah. Die Tür ging auf, so daß ein Schwall kalter Meeresluft hereinströmte, und in ihrem Rahmen stand der stämmige Priester, Pater Kilfoyle. Als der Junge und Mr. Malta den eisigen Luftzug spürten, kamen sie hinter einem der Verkaufsregale hervor. Der Priester und der Weißgesichtige standen ungefähr zehn Meter voneinander entfernt und starrten sich an. Der Priester hob die Rechte und schlug das Kreuzzeichen
über Stirn und Brust. Als guter Dissenter halte ich nichts davon, das Kreuz zu machen, aber ich weiß, daß Katholiken damit den Schutz des Herrn suchen.
Dann sagte der Priester: »Komm jetzt, Pierre«, und streckte eine Hand nach ihm aus. Aber er starrte Mr. Malta weiter unverwandt an.
Die Konfrontation zwischen den beiden Männern, die erste von zweien, zu denen es an diesem Tag kommen sollte, wirkte so deutlich abkühlend wie der eisige Seewind von draußen, deshalb versuchte ich, die fröhliche Stimmung wiederherzustellen, die noch vor einer halben Stunde geherrscht hatte, indem ich rasch sagte:
»Euer Ladyschaft, unser Stolz und unsere Freude ist das hiesige Spiegelkabinett, ein wahres Weltwunder. Gestatten Sie mir, es Ihnen vorzuführen, es wird Sie aufheitern. Und Master Pierre kann sich mit den anderen Spielsachen amüsieren, denn wie Sie sehen, ist er ganz von ihnen verzaubert, wie alle jungen Leute, die hierherkommen.«
Sie wirkte unentschlossen, und ich erinnerte mich mit einiger Besorgnis daran, wie nachdrücklich Mr. Tilyou - aus welchen Gründen auch immer - in seinem Brief darauf bestanden hatte, sie ins Spiegelkabinett zu führen. Sie sah zu dem Iren, der ihr zunickte und sagte: »Gewiß, sehen Sie sich das Weltwunder an. Ich kümmere mich einstweilen um Pierre. Wir haben genügend Zeit. Die Probe beginnt erst nach dem Mittagessen.« Also willigte sie ein und kam mit mir.
Schon die Suche des Jungen und seiner Mutter nach einer Melodie, die keiner der Affen spielen konnte im Spielzeugladen, waren reichlich seltsam gewesen, doch die folgenden Ereignisse wurden nun vollends bizarr. Das erklärt, weshalb ich mich bemüht habe, alles
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