Das Phantom von Schreckenstein
einen Hebelgriff ansetzte, um ihn zu Fall zu bringen, mußte er sich wehren. Mit einer ruckartigen Rumpfbeuge vorwärts schüttelte er sie ab. Doch sofort stürzten sich Sophie, Renate und weitere drei oder vier Mädchen auf ihn. Auch Strehlau und Mücke, die eben noch zu sehen gewesen waren, gingen im Hühnerstrudel unter.
Nun wehrten sich die Ritter nach Kräften. Das mußten sie auch, denn kaum hatten sie eine Angreiferin abgeschüttelt, wuchsen, wie aus dem Boden, zwei andere nach.
„Laßt den Quatsch!“ keuchte Mücke, unter Hühnern begraben. Da hörte er plötzlich Naturlaute über sich, Hühner flatterten zur Seite, als sei er ein rasendes Auto. Andrew tauchte auf und zog ihn heraus.
„Stop! They are our friends!“ herrschte der Boy die Mädchen an. Auch Stephan und Strehlau sahen, dank einiger harter Schottengriffe, alsbald wieder Tageslicht.
Mädchen, die vorausgegangen waren, kamen, vom Tumult angelockt, aus dem Eßsaal zurück und schnatterten mit den Kratzbürsten und ihren Helferinnen.
„Zur Wand!“ keuchte Stephan und schlug sich mit Bill und Mini—Boy Alexander zur Eßsaaltür durch. Mücke und Strehlau folgten mit ihren Befreiern dem Beispiel. Nun hatten sie die rabiaten Hühner im Blickfeld.
„Angreifen!“ zischte Martina. Doch keine griff an. Mini—Boy Sean hatte seinen Sgian Dubh aus dem Strumpf gezogen und zwischen die gebleckten Zähne geklemmt, daß er aussah wie ein Gartenzwerg, der Furcht erregen will. Noch immer standen die Mädchen verdutzt herum. Das hatten sie von den süßen Boys nicht erwartet!
„Let’s get in!“ flüsterte Strehlau.
Da sie unter dem Türstock standen, lag der Gedanke nahe. Ohne daß einer ein Kommando gegeben hätte, traten sie gleichzeitig rückwärts in den Eßsaal und schlugen die Tür zu. Andrew stemmte sich gegen die Klinke, bis sie Stephan, Bill und Charlie, unter heftigem Geboller von draußen, mit Stühlen verkeilt hatten.
„Thank you!“ sagte der Musterschüler.
Boys und Ritter atmeten auf, grinsten einander an, drehten sich um und gingen auf den gedeckten Tisch zu.
„Well. Let’s have a cup of tea!“ näselte der kleine John wie ein uralter Lord.
Dann ging es weniger vornehm zu. Eine wilde Spachtelei begann. Alles stand griffbereit, Tee, Kakao, Limo, Kuchen, Kekse und – der Laib Marzipan, aus dem sich die Boys mit ihren Sgian Dubhs große Stücke herausschnitten. Die Ritter zeigten ihnen, wie man sich über vier Stühle ausbreitet, vom fünften trinkt und, vom sechsten ißt. Strehlau tupfte sich Doris’ Handarbeit, einen blutigen Kratzer, auf der Backe ab, um den Boys den richtigen Eindruck von den Hühnern zu vermitteln. „Now you have the right impression of those chickens!“
„Heißt das nicht richtiger hen, statt chicken?“ fragte ihn Stephan.
„Wenn du die Horn meinst, ist Henne richtig!“ meinte Strehlau. „Aber unsere Hühner, die sind chickens.“
„Wenn ich da an meine knackige Schwester denke…“, alberte Mücke.
Die chickens rumorten draußen derart, daß Stephan zur Tür ging, um durchs Schlüsselloch zu schauen.
„Sie schieben Schränke vor die Tür!“ berichtete er. Während Strehlau übersetzte, meine Mücke: „Ihr Problem. Wenn die Horn kommt, müssen sie sie wieder wegschieben.“
Stephan, der gelauscht hatte, lachte. „Genau das hat deine Schwester eben auch gesagt.“
Es rumorte weiter, der Blick durchs Schlüsselloch wurde wieder frei. Jemand klopfte an die Tür.
„Sie wünschen?“ fragte Stephan.
„Laßt uns rein. Die Horn kommt!“ flehte eine Stimme.
„Da müßt ihr zuerst schön bitte, bitte sagen“, alberte Stephan.
„Bitte, bitte!“ kam die vielstimmige Antwort. Dann ein barsches: „Nun macht schon!“
„Moment!“ bremste Stephan. Wir brauchen euer bitte, bitte noch auf englisch. Damit es unsere schottischen Freunde auch verstehen.“
„Please! Please!“ kreischten die Mädchen.
„Du, Stephan, was heißt denn Spielverderber?“ rief Strehlau herüber, der den Boys das Geschehen übersetzte. Mücke zog die Schultern hoch; auch Stephan wußte es nicht.
„Moment“, sagte er und wandte sich zur Tür. „Was heißt Spielverderber?“
„Kill—Joy“, antwortete Sophie.
„Kill—Joy!“ wiederholte der Ritter und begann die Stuhlsperre wegzuräumen. „Damit ihr seht, daß wie keine Kill—Joys sind, lassen wir euch jetzt rein.“ Er öffnete die Tür und – starrte auf Schränke.
„Nanu?“ wunderte er sich. „Ich dachte, ihr wolltet zum Tee kommen, wegen
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