Das Pharma-Kartell
wie er es mir erklären soll.
„Wissen Sie, die Pilzkulturen sind äußerst empfindlich… Wenn der Extrakt im Fermentator aus Mais ist, der beispielsweise auf dem Boden mit etwas mehr Molybdän gewachsen ist… kann der Ertrag nur halb so hoch sein. Verstehen Sie jetzt?“
„Ich stelle es mir vor.“
„Da ist noch mehr. Ich habe gesagt, die Pilzkulturen seien empfindlich… Ach was, sie sind geradezu abscheulich launisch! Sie reagieren auf Wärme und Kälte, auf Trockenheit, auf kosmische Strahlung, wenn Sie wollen… Die heilige Empirie!“
„Aber Sie haben doch Kontrolllaboratorien, Vergleichsunterlagen über den Ertrag, die Technologie. Larchey ist nicht allein.“
„Vier Laboratorien!“ Morlet hält ebenso viele Finger hoch und verzieht das Gesicht wie bei alten Zahnschmerzen. (Ich verstehe – das Geschwür.) „Vier. Und dennoch ist die Versuchsanlage das Herzstück, dort wird die exakte Beschickung für eine ganze Periode ausgearbeitet. Zwei Zehntelgrad können zweihundert Kilo weniger… oder mehr Antibiotika bedeuten! Es genügt nicht, dass wir einfach das Werk übergeben und dass es zu produzieren beginnt… Es kommt darauf an, wie viel, in welcher Qualität. Das Werk muss konkurrenzfähig sein. Sonst fahren wir nächstes Jahr nach Hause, und im Jahr darauf drehen ihm die Konzerne die Luft ab.“
Ich höre aufmerksam zu, obwohl mir das nicht neu ist. Wenn Enzo Larcheys Verschwinden ein Sabotageakt ist, ist er nicht sonderlich klug ausgedacht. Die Zeit der direkten Sabotage ist vorbei. Jetzt haben wir den Krieg der Technologien. Es genügt, dass man eine gute Technologie hat, der Konkurrent aber eine bessere, und in zwei, drei Jahren ist man erledigt. Es genügt, dass man in eine Richtung gedrängt wird, wo die Entwicklung langsam verläuft, und man gerät in eine Sackgasse. Elementare Dinge, doch weshalb musste Larchey verschwinden? Wenn jemand von ihm etwas erfahren wollte, so hat es für ihn doch nur Wert, solange er hier ist! Selbstverständlich gibt es auch andere Varianten, doch dafür habe ich mehr als bescheidene Motive.
„Kollege Fabre hat Ihnen Doktor Larchey geschildert, ich könnte kaum noch etwas hinzufügen“, sagt Morlet.
„Wir stehen zu Ihrer Verfügung. Was brauchen Sie?“
Ich brauche eine Dokumentation über Larcheys Arbeit und ein ruhiges Plätzchen, wo ich mich hinsetzen und diese Dokumentation studieren kann.
Das Erste ist leicht zu beschaffen, denn es besteht aus Ordnern mit Berichten, Zeichnungen und Briefen, und ich erhalte es sofort. Das Zweite bringt sie ein bisschen in Verlegenheit, aber schließlich setzen sie mich in den Materialwirtschaftsraum.
„Hier dürfte es am ruhigsten sein, nehmen Sie den Schlüssel, schließen Sie sich ein und arbeiten Sie. Ich bin oben, falls Sie etwas benötigen.“
Der Raum steht zur Hälfte voller Kistchen, die längs der Wände gestapelt sind, und kurzen, gebogenen, grellroten Rohren, die aus irgendeinem Grund nach Asphalt riechen.
Doch er liegt auf der Schattenseite des Gebäudes, ist ruhig und hat einen nicht mehr gerade neuen Schreibtisch, auf dem ich mich ausbreiten kann.
Die Zeit bis Mittag vergeht mit Kramen in Papieren. Ich suche bestimmte Dinge. Einige finde ich, andere nicht.
Auf kleinen Zetteln mache ich mir Notizen, lege sie in verschiedenen Varianten vor mir aus und versuche, logische Verbindungen herzustellen. Diese Methode der Patience hat mir immer weitergeholfen, jetzt habe ich allerdings nicht genügend Fakten. Ich erwarte nicht, dass mir augenblicklich die Erleuchtung kommt, und schnaufe ungeduldig vor Hitze und Ärger.
Nach einer Weile klopft es mit Nachdruck an der Tür. Ich öffne und sehe mich zwei Männern in Overalls gegenüber, die mich, ohne zartfühlende Worte zu wählen, eines Fehlbestandes und einer nicht ausgeführten Bestellung beschuldigen.
Ich setze sie davon in Kenntnis, dass ich nicht der bin, für den sie mich halten. Sie ihrerseits setzen mich davon in Kenntnis, dass sie den zurechtweisen werden, sobald sie ihn aufgestöbert haben. Allzusehr glauben sie mir nicht, dass ich nicht von der Materialbeschaffung bin, ziehen aber doch ab.
Wenn es um einen Fehlbestand geht, damit kann ich auch aufwarten – mir fehlt Enzo Larchey.
Gegen halb zwei klopft es abermals an die Tür. Diesmal ist es Kylian Fabre.
„Wollen Sie nicht zu Mittag essen?“, erkundigt er sich. „Wir haben eine gute Kantine.“
Unbegreiflich, wie sie bei dieser Hitze zu Mittag essen können. Außerdem ist mir im
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