Das Pharma-Kartell
zurückkehrt. Das Surfing mag ja aufregend sein, Frau Krüger ist für mich aber interessanter. Aus verschiedenen Gründen.
Wir trinken den Tee aus und brechen auf – schließlich müssen wir weiter.
Draußen ist die Gruppe der Einheimischen angewachsen. Es sind noch mehr gekommen, und sie sprechen laut mit einem Mann, der einen breitkrempigen Hut trägt. Er winkt Kylian Fabre freundlich zu.
„Der Produktionsleiter, Rijder van Basten“, erklärt Fabre. Van Basten lässt seine Gesprächspartner stehen, um uns zu begrüßen. Er hat ein offenes, sonnenverbranntes Gesicht, in das die Fältchen kleine weiße Streifen gegraben haben. Wir machen uns bekannt, und Fabre erklärt ihm mit zwei Worten, wer ich bin und weshalb ich hier bin.
„Na, so eine Geschichte“, sagt van Basten einfach. „Vor Jahren hatten wir so einen Fall, da ist einer aus Eifersucht umgebracht worden, sechs Monate später haben wir ihn dann gefunden, aber gefunden haben wir ihn.“
Ein fabelhafter Trost!
„Aber wieso“, frage ich, „bringen Sie das Verschwinden von Doktor Larchey mit einem Mord aus Eifersucht in Zusammenhang? Haben Sie da etwas Bestimmtes im Sinn?“
„Nein, nein!“, sagt van Basten lächelnd, und die weißen Fältchen auf seinem Gesicht beginnen zu tanzen. „Wir Holländer morden nicht aus Eifersucht, wir betrinken uns.“
Klar. Man kann das als Scherz auffassen, es muss aber kein Scherz sein.
„Ich habe ihn nicht gesehen“, fügt van Basten hinzu. „Freitag und Samstag…“, er zählt an den Fingern nach, „war ich in Sidi Badis, Sonntag… Nein, ich habe ihn nicht gesehen.“ Er entschuldigt sich und kehrt zu dem Grüppchen zurück, wobei er sofort zu schreien und mit den Händen zu fuchteln anfängt. Die anderen bleiben ihm darin nichts schuldig.
Wir steigen in den Jeep und fahren los. Fabre biegt nicht auf die Straße ab, sondern folgt einem Feldweg hinter den Büros, das sei viel näher, keinen halben Kilometer.
„Wieso hat er gesagt, dass vor Jahren einer umgebracht worden ist?“, frage ich.
„Weil er schon lange hier ist. Zusammen mit Tommaso Poletti. Sie waren bei einer anderen Firma angestellt, die nachher in Konkurs ging, und die Alpine trat ihre Nachfolge an. Er säuft wie ein Loch.“
„Wer?“
„Van Basten. Haben Sie’s nicht bemerkt? Über den Sonntag hat er nichts gesagt, das heißt, er war… Von der Hitze fangen sie an zu saufen.“
Mir macht die Hitze auch gehörig zu schaffen. Ich bin schlapp und wie gebadet. Auf Fabres Stirn stehen ebenfalls Schweißtropfen.
Der Jeep stuckert scheußlich auf dem Feldweg. Wir schweigen.
„Was für eine Frau!“, brummt Fabre nach einer Weile unwillig. „Hat sich nicht aufgeregt und nichts… ganz, als wäre überhaupt nichts passiert. Larchey ist weg, jetzt ist der Nächste dran.“
„Nun, Sichaufregen ist ja nicht obligatorisch.“
„Wenn sie wenigstens gezeigt hätte, dass sie ein bisschen besorgt ist!“, beharrt Fabre. „Aber nichts!“
Es ist nicht nichts. Ein negatives Ergebnis ist auch ein Ergebnis, es kommt darauf an, wie man es auslegt. Ich möchte bloß schrecklich gern ein paar Einzelheiten erfahren, auf die ich im Büro nicht zu sprechen kommen konnte. Wie zum Beispiel, wo Frau Krüger am Donnerstagabend gewesen ist – oder wie Polettis Verhältnis zu Larchey ist. Und warum meine Eröffnung, dass Larchey das Land nicht verlassen hat, auf diese Weise aufgenommen worden ist.
Der Feldweg biegt um den Hügel, und wir sehen die Baustelle. Sie ist groß, ich hatte sie mir bedeutend kleiner vorgestellt. In der Mitte erhebt sich ein hohes Gebäude in Form eines L, daneben stehen zwei dreigeschossige Bauten und das Kesselhaus mit Schornstein, der vom Staub schon ganz dunkel ist. Durch die Ebene, wo die Sonne auf das dürre Dorngebüsch brennt, ziehen sich von Kippern ausgefahrene Radspuren. Ein paar grellorange-farbene Bagger und Bulldozer kriechen wie seltsame Käfer neben der Trasse der Asphaltstraße herum, die jetzt im Bau ist.
Vor dem einen der beiden kleinen Gebäude stehen zwei Busse und eine Reihe PKWs verlassen in der Sonnenglut.
Menschen sind nicht zu sehen.
„Das ist das Verwaltungsgebäude“, erklärt Fabre. „Fürs erste haben wir uns darin eingerichtet.“
Er parkt im Schatten eines Busses, und wir steigen aus. Einen Augenblick lang weht mich der heiße Hauch der roten Hügel an.
Das Büro von Ingenieur Lucas Morlet, dem Bauleiter, ist in der ersten Etage. Fabre zeigt mir den Weg, wir treten zuerst bei der
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