Das Pharma-Kartell
Pidgin-Französich nennt. Ohne Zeiten und Fälle.
„Wo ist er hingegangen?“
Das hat sie nicht gesehen. Vielleicht zum Kai. Wahrscheinlich zum Kai.
Bei dem Wort hake ich ein. Wieso „wahrscheinlich“?
Weil sie an diesem Abend an der Kaffeemaschine war. Die Lauferei an den Tischen hat sie Sammy überlassen. Und sehen Sie, wo die Maschine ist. Fast an der Fensterscheibe am anderen Ende. Wenn der Mann am Fenster vorbeigekommen, also zurückgegangen wäre, hätte sie ihn wahrscheinlich bemerkt. Das ist alles. Dasselbe hat sie dem Inspektor gesagt.
Ich bedanke mich. Und könnte ich auch noch mit Sammy sprechen?
Der ist nur nachmittags und abends da. Aber er könne auch nichts sagen, das habe er schon erklärt.
„Dem Inspektor?“
Molly zögert plötzlich mit der Antwort.
„Aber… das soll doch geheim bleiben, Monsieur.“
„Wieso geheim?“
„Das hat der junge Inspektor gesagt, der mit Sammy gesprochen hat.“
Da hat es Samat’ Assistent wohl ein bisschen zu spannend gemacht. Sinn hat es nicht allzu viel gehabt,wo Sammy nichts gesehen hat.
Ich bezahle die Orangeade und gehe. So hat Enzo Larchey gezahlt, das Café verlassen und ist in dieser Richtung weitergegangen. Ich tue das Gleiche, um zu sehen, wo die Straße hinführt. Nach der kalten Orangeade und dem Schatten im Bistro kommt es mir draußen vor, als koche die Luft. Hafenlärm vom Kai dringt gleichsam wie durch eine Glasglocke zu mir, so gedämpft ist er, oder aber die Hitze verändert auch die Wahrnehmungen.
Dies ist ein Kai für Privatboote und Jachten. Auf dem Wasser unter der Brüstung schwimmen große Ölflecke und schimmern in allen Regenbogenfarben. Darauf schaukeln die Motorboote, mit Tauen am Kai festgemacht. Weiter hinten sind die Jachten. Auf einem Deck nageln zwei Männer mit exakten, abgemessenen Bewegungen die Verkleidung fest. Noch weiter hinten endet der Kai mit Holzstufen, die fast bis ins Wasser führen. Ein Dutzend grellbunter, knallig angestrichener Boote warten mit eingeholten Rudern auf ihre Besitzer. Auf dem hölzernen Steg sitzt ein halb nackter Fischer mit ausgefransten Hosen und einer Angel in der Hand. Was hofft er wohl hier, um diese Zeit und dem verölten Wasser zu fangen?
Ich steige zu ihm hinunter. Kleine, kaum sichtbare Wellen laufen über das Wasser hin wie ein Zucken über die Haut eines großen Tieres. Und Larchey geht mir nicht aus dem Kopf. Hat er sich am Kai mit jemandem getroffen? Mit wem? Wo?
Mein Blick gleitet über die Jachten. Vielleicht dort. Da ist nichts mehr zu überprüfen, niemand wird sich mehr daran erinnern, was vor vier Tagen abends geschehen ist, wo Hunderte von Menschen diesen Kai passieren.
Und viel weiter kann er kaum gegangen sein. Der Kai endet bei ein paar Holzbaracken – sie sehen wie Lagerschuppen aus -, anschließend beginnen die Kais des Container Terminals, die bewacht werden. Aber wahrscheinlich wird auch dieser Kai für die Privatjachten irgendwie bewacht. Irgendein Wächter ein ehemaliger Seemann in Rente. Ich muss Samat fragen.
Ich klettere die Holzstufen wieder hinauf. Oben liegt alles in der prallen Sonne. Nur die beiden Engländerinnen stehen unerschütterlich an der Ecke von Mollys Bistro, haben ihre Kameras hervorgeholt und fotografieren. Hier ist fotografieren sicherlich verboten, aber es ist weit und breit niemand da, der ihnen das sagen könnte. Nur Fremde wie sie und ich schleppen sich durch die Straßen und riskieren ihre Schuhe auf dem klebrigen Asphalt. Die Augen tun mir weh von dem grellen Licht.
Noah schlummert im Jeep, er hat sämtliche Türen geöffnet, die zu öffnen gehen. Ich wecke ihn, und sein leicht verschleierter Blick klärt sich allmählich.
„Eine Viechsarbeit!“, stellt er fest.
Was ist eine Viechsarbeit, seine oder meine?
Weil er ein Nickerchen gemacht hat, ist er gesprächig. Und während er die Kurven auf dem Rückweg zur Pension nimmt, teilt mir Noah seine Sorgen mit. Er sei allein für zwei Schichten, die Arbeit sei nicht schwer, aber zwei Schichten seien zu viel. Er könne sich nicht in der Stadt umsehen, ruhig irgendwo in ein Lokal gehen. Ich bedaure ihn. Wahrscheinlich wird man bald jemanden für die zweite Schicht schicken, und ich weiß auch, wen man schicken wird.
Die Pension liegt wie ausgestorben unter der blendenden Sonne, nichts rührt sich hinter den geschlossenen Jalousien.
Noah setzt mich auf der Allee unter den Bougainvilleas ab und fragt, ob er warten soll. Ich muss nur oben etwas holen, zehn Minuten, nicht
Weitere Kostenlose Bücher