Das Pharma-Kartell
Waffe, verhältnismäßig klein und weitreichend. Keinerlei Papiere.
Samat nimmt die Pistole und prüft ihr Gewicht.
„Colt Pythons sind bei uns verboten“, sagt er. „Nur die Polizei hat welche.“
„Wo wurde der Tote gefunden?“
„In einer Seitengasse in dem Viertel, wo Sie gestern Abend waren.“
Er wendet sich an die Gerichtsmedizinerin.
„Die Aufnahmen sind gemacht, wir können ihn zur Autopsie freigeben. Wann bekommen wir das Protokoll?“
In meinem Bewusstsein bohrt etwas hartnäckig, es will nach oben und kann nicht. Ich weiß nicht, was es ist, wichtig oder nicht, aber es stört mich.
„Nun wir können gehen!“, sagt Samat. „Wo soll ich Sie hinbringen?“
„In unser Objekt, wenn es keine Umstände macht.“
„Natürlich macht es keine. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie gekommen sind.“
Wir verabschieden uns von der Gerichtsmedizinerin und sind in ein paar Minuten später im Auto.
In dieser Stadt kann ich mich nicht zurechtfinden. Ich glaubte, wir wären ein ganzes Ende von der Straße entfernt, doch es stellt sich heraus, dass dem nicht so ist. Wir erreichen sehr bald die Straße. Wie gestern stehen die Buckel der verbrannten Hügel wieder vor dem Horizont. Dann erscheinen die hellroten Säulen der Tankstelle. Ein eiliger Laster hüllt uns in Staub, und mir beginnen die Augen zu jucken. Samat flucht leise durch die Zähne. Ich schweige. Mir fällt und fällt nicht ein, was mich im Leichenschauhaus gestört hat. So ist das menschliche Gedächtnis! Man kann es quälen, soviel man will, sich totärgern und ist doch machtlos. Besser, ich warte ab. Das ist wie ein vergessener Name. Er wird im Bewusstsein auftauchen, wenn ich es überhaupt nicht mehr brauche.
Samat biegt vor dem Verwaltungsgebäude ein und hält. „Und jetzt wünschen Sie mir ein bisschen Erfolg! Hoffentlich kriege ich heute noch etwas über den im Leichenschauhaus heraus.“
„Wo könnte ich Sie erreichen?“, frage ich.
„In der Kommandatur. Sollte ich zufällig nicht dort sein, wird man Ihnen sagen, wo ich zu finden bin. Auf Wiedersehen.“
Er winkt zum Gruß und fährt an.
Die folgenden Stunden bis zum Mittag sind dem Studium von Laborjournalen zugedacht. Nur jemand, der schon einmal in solcher Art Unterlagen herumgewühlt hat, weiß , was sie für ein undurchdringlicher Dschungel sind. Ich muss mir die Arbeit unbedingt leichter machen und bitte deshalb Fabre, mir jemanden von Larcheys Mitarbeitern zu schicken.
Das Zimmerchen der Materialversorgung finde ich unverändert: die hässlich nach Asphalt riechenden Rohre und der zerschrammte Schreibtisch, der mehr als einen hitzigen Streit gehört hat. Das Fenster öffne ich lieber nicht – von draußen käme nur Hitze herein. Und Staub.
Ich überlege gerade, wie ich den Schreibtisch stellen soll, um es bequemer zu haben, da klopft es.
Wie ich ihn nach der Beschreibung kenne, ist es Jules Gabin, Larcheys Stellvertreter. Ein bekanntes Gesicht, ein Fachkollege, wahrscheinlich ein oder zwei Studienjahre nach mir. Ich erinnere mich an ihn, habe ihn bloß lange nicht gesehen. Älter ist er geworden (ich bin ja auch nicht jünger geworden), im großen und ganzen hat er sich aber nicht sehr verändert. Rundlich, korpulent, zur Glatzenbildung neigend.
„Oh, Kollege… Und ich habe wer weiß was gedacht… Seien Sie gegrüßt, seien Sie gegrüßt!“
Ich begrüße ihn im selben vertraulichen Ton, obwohl mir diese Vertraulichkeit nicht so recht behagt.
Gabin hat zwei solide eingebundene Laborjournale unter dem Arm und legt sie auf den Schreibtisch.
„Sie haben doch die Journale verlangt, nicht? Fabre sagte mir, dass es darum gehe… Ich muss Ihnen da bloß ein bisschen was erklären, denn sonst…“
Ich fordere ihn auf Platz zu nehmen, und setze mich selbst auf die andere Seite des Schreibtischs. Er muss mir wirklich die Art und Weise erklären, wie sie geführt worden sind. Diese Journale flößen schon durch ihren bloßen Anblick Respekt ein. Ich versuche, mich zu orientieren, wann die Vorversuche begonnen wurden und mit welchem Material, und Dankbarkeit für die Pedanterie Doktor Larcheys erfüllt mich. Es herrscht eine ideale Ordnung, sämtliche Details sind eingetragen.
„Da, von hier an können Sie sehen…“, redet Gabin.
„Dies sind die Bedingungen, und ich habe schon gesagt…“
Nein, er gefällt mir wirklich nicht. Er nutzt jede Gelegenheit, um Larchey madig zu machen. Er tut das sehr geschickt, mit entfernten Andeutungen und halben
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