Das Pharma-Kartell
mit einem Kreis eingezeichnet habe.
Und mir kommt eine absurde Idee. Im nächsten Augenblick erscheint mir die Idee schon nicht mehr so absurd, und als ich mich auf den Weg zu Mollys Café mache, frage ich mich, warum ich nicht früher darauf gekommen bin.
Das Café ist leer, jetzt ist die tote Tageszeit. Molly steht an demselben Platz, vor den Regalen mit den bunten Flaschen, und scheint von meinem Erscheinen nicht sonderlich begeistert. Und ich beeile mich, ihre schwache Hoffnung zu zerstören, ich sei zufällig vorbeigekommen. Ich möchte mit Riad reden, notfalls mit ihr.
Einmal habe ich auch Glück. Riad ist da. Er hat Ware gebracht und trägt Kartons in den Keller. Ich höre ihn vor sich hin pfeifen.
Das Pfeifen bricht sofort ab, als ihm Molly erklärt , wer ich bin. Riad ist ganz gespannte Aufmerksamkeit. Er ist ein flinker junger Mann mit dunklem Gesicht und krausem Haar. Seine lustigen Augen mustern mich aufmerksam. Ich habe keine schlechten Absichten und möchte, dass er das sofort begreift. Wir werden uns an eins der Tischchen setzen, und dort sage ich ihm, was ich wissen will.
Riad spricht alle Sprachen, von allen ein bisschen. So dass wir also anfangen können. Ich hole das Foto von O’Sullivan aus der Tasche und zeige es ihm. Ob er diesen Mann gesehen hat?
Die Reaktion erfolgt augenblicklich, sie ist die beste Antwort. In der nächsten Sekunde versucht er, mir etwas vorzulügen, es gelingt ihm aber nicht. Wahrscheinlich macht ihn etwas in meiner Miene stutzig.
„Nun jaaa…“, sagt er gedehnt, „der Herr von der Polizei…“
Das wär’s. ich hatte bloß nicht erwartet, dass er auch als Polizist aufgetreten war.
„Woran hast du ihn dir gemerkt, Riad?“
An dem breiten Gesicht, den Augen… Er sei ein recht barscher Herr gewesen. Habe Riad gedroht, er solle ja nicht verraten, dass er da gewesen sei. Riad bereut schon, dass er es mir gesagt hat und dass er überhaupt etwas gesagt hat. Man weiß ja nie, was daraus werden kann. Aber was soll man da machen?
„Dieser Herr ist nicht von der Polizei, Riad“, versuche ich ihn zu beruhigen. „Und du brauchst dir keine Sorgen zu machen, denn er ist abgereist… weit weg.“
Riad glaubt mir noch immer nicht. Das Leben hat diese jungen Leute gelehrt, misstrauisch zu sein, und nicht ohne Grund, wie ich zugeben muss. Doch ich kann ihm nicht sagen, dass O’Sullivan ermordet worden ist.
„Dieser Mann ist ein Verbrecher, Riad“, sage ich. „Und er ist nicht mehr in Al Agadir. Wir müssen wissen, was er in den letzten Tagen gemacht hat.“
Das hat Erfolg. Jetzt rufe ich auch Molly und zeige ihr das Foto. Sie zögert einen Augenblick, denn sie hat gemerkt, dass die Sache ernst ist.
„Er war es, Monsieur!“
Das wäre geklärt. Jetzt müssen sie versuchen, sich an alles zu erinnern – wann er gekommen ist, was er gefragt hat. Teils durch Molly, teils durch Riad beginnt sich das Bild abzurunden. O’Sullivan war am Freitag hier, gegen halb sieben Uhr abends, hat Molly beiseite gerufen und seine Polizeimarke vorgezeigt. (Merkwürdig, dass wir diese Marke nicht gefunden haben!)
Dann habe er genau wie ich ein Foto aus der Tasche geholt und gefragt, ob sie den Mann darauf gesehen hätte. Ja, das hätte sie, sie hätte keinen Grund gehabt, es zu verschweigen. Riad habe genau erklärt, wo der Herr gesessen habe, wie er ihm das Glas Kognak gebracht, wie der Mann gezahlt habe und gegangen sei. O’Sullivan habe ein paar Mal danach gefragt, wohin der Mann gegangen sei, aber das habe Riad ihm nicht genau sagen können. Er habe den Eindruck gehabt, dass er zum Kai hinuntergegangen sei, doch da sei er sich nicht sicher.
O’Sullivan sei sehr ärgerlich gewesen, habe sie beschimpft – Riad hebt die Schultern: das seien sie gewöhnt. Er habe gedroht, dass sie es mit ihm zu tun bekämen, wenn sie den Mund aufmachten. Doch da ich auch von der Polizei sei, wäre es besser, die Wahrheit zu sagen. Trotzdem fragt Molly, wie sie sich verhalten soll, wenn dieser Mensch noch einmal aufkreuzt.
„Er wird nie wiederkommen!“, wiederhole ich.
Ich weiß nicht, inwieweit sie meine Versicherungen beruhigen. Denn ich bin selbst ziemlich unruhig, das spüren sie, und es macht sie unschlüssig.
Meine Beunruhigung nimmt ganz bestimmte Züge an, als ich auf dem Rückweg zum Hotel Zeit habe, das Geschehene genauer zu überdenken. Larcheys Verschwinden hat nicht nur uns beunruhigt, sondern auch jemand anderen. Und dieser Jemand handelt, ohne zu zögern, rücksichtslos und
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