Das Pharma-Kartell
und Produktionsfaktoren. Und in Silben, entsetzlich viele Silben! Immerhin erweisen sie sich als doch nicht so unverständlich.
Larchey hat auf übliche Weise begonnen. So hat er auch anfangen müssen – mit den bewährten Technologien. Er ist nicht von ihnen abgewichen, alles nach den Standards. Alles, ausgenommen der Ertrag. Niemand hat zu sagen vermocht, was die launischen Schimmelpilze veranlasst hat, weniger Antibiotikum zu erzeugen.
Wahrscheinlich hat die Ursache in einer der lokalen Bedingungen gelegen. Und er hat gewissenhaft jede einzelne davon überprüft. Hat die Chemiker mit Forderungen von Analysen gequält, die Analysen angezweifelt und nochmals überprüft, bis er es überhatte.
Dann kam die heilige Empirie zu ihrem Recht, wie Fabre gesagt hat. Ein wildes Bacchanal von Einfällen, bei dem man Dummheit nicht von Genialität unterscheiden kann. Die Jagd nach Ideen.
Ich weiß, wie das ist. Und spüre, dass ich anfange, Feuer zu fangen.
Das darf ich nicht, genau das darf ich jetzt nicht. Doch diese Seiten mit seiner nervösen, zerhackten Handschrift bringen mich auf Dinge zurück, die ich längst vergessen glaubte. Nächte, in denen ich durch die schweigenden Laboratorien ging und die Apparaturen im Halbdämmer wie schlafende Tiere summten. Der leise Schlag einer Wanduhr. Und Stunden über dem Mikroskop, bis der Fußboden vor den Augen schwankte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die Silbenreihen sind wie lebendig. Ich sehe, wie er sie aufgeschrieben hat, wie er aufgestanden und mit sich selbst redend hin und her gegangen ist. Wie er gezweifelt und gehofft hat. Und in einer dieser Nächte, wo das gemarterte Gehirn einen bis zum Überdruss durchgekauten Gedanken noch einmal und noch einmal wiederholt hat, war plötzlich die Lösung da. Die Fantasie ist übergekocht und hat die Müdigkeit vertrieben. Es ließ ihm keine Ruhe mehr, kaum konnte er den Morgen erwarten, um den Versuch zu beginnen.
Ich darf mich jetzt nicht erregen.
Denn die Wahrheit kann anders aussehen. Es gibt Ideen, die der Hoffnung entspringen und einen in die Irre führen. Und wenn man merkt, dass man sich getäuscht hat, ist es zu spät. Beklommenen Herzens hält man daran fest. Der Zweifel schreit lauthals, vor sich selbst jedoch rechtfertigt man sich damit, dass man den Versuch zu Ende führen will, um ganz sicher zugehen. Aber das geschieht aus sinnloser Überheblichkeit, was anderes ist es nicht.
Ein paar Augenblicke lang vergesse ich, was ich suche. Ich streite mit Larchey oder billige seine Versuche. Er ist verrückt, aber was tut’s. Die Welt braucht Verrückte. Ich werde wütend, wenn ich sehe, dass er einen Versuch aufschieben muss, weil man ihm keine Leute gibt. Ich an seiner Stelle wäre noch heftiger mit Fabre aneinandergeraten.
Die Anspannung treibt mich vom Stuhl in die Höhe und ich tigere in dem engen Zimmer auf und ab. Und eine sonderbare Gewissheit überkommt mich.
Diese Serie ist erforderlich. Niemand kann mich überzeugen, dass das ein Zufall ist. Es ist ein glücklicher Zufall, einer von denen an der Grenze des Absurden. Und eben,weil es an der Grenze liegt, ist es bis dahin noch nie ausprobiert worden.
Er hat es geschafft. Zehn Prozent Antibiotikum sind etwas, wofür man ihm alle seine Absonderlichkeiten nachsehen kann.
Im Stehen lese ich alles noch einmal durch. Dann noch einmal, weil ich plötzlich etwas bemerke, was mir nicht gefällt.
Die Bedingungen sind nicht mit Larcheys üblicher Pedanterie aufgezeichnet. Eine Kleinigkeit – in der Methodik werden ein paar Dinge nur angedeutet, was nicht sofort ins Auge springt, weil alles logisch aufgeführt ist. Doch gerade das, was interessiert, wird nicht gesagt. Und ich habe so was schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. Wenn man den Versuch wiederholt, kommt nichts heraus.
Ich blättere die Seiten durch, finde die andere, spätere und erfolglose Serie Silbe Om. So ist es. Es ist nichts dabei herausgekommen. Absolut klar. Der Ertrag liegt unter der von der Technologie erhärteten Regel.
Falls Larchey die Bedingungen des Versuchs verbergen wollte, so ist ihm das gelungen. Gabin hat das Protokoll nur zu gern unterschrieben – ein Versuch Doktor Larcheys ist fehlgeschlagen. Die Gaultier? Ich bin mir nicht im klaren, was sie weiß. Auf jeden Fall mehr, als sie sagt. Wer hat noch unterschrieben? Eine Frau Baffour. Ich finde ihren Namen auch unter anderen Protokollen. Sie leitet die beiden chemischen Labors. Ich habe keinen Grund zum Argwohn. Die
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