Das Pharma-Kartell
lesbarsten.
„Ich kenne diesen Mann“, sage ich leise zu Samat. Und erzähle ihm halblaut von Sophies Aufnahmen. Samat erläutert ebenfalls halblaut, was er weiß.
Allem Anschein nach ist es kurz nach Mitternacht passiert. Oben auf der Station ist operiert worden, und mit diesem Aufzug ist als letzter ein Pfleger von der OP gegen dreiviertel Zwölf hinaufgefahren. Etwa eine halbe Stunde später bemerkte man, dass der Aufzug zwischen dem zweiten und dritten Stockwerk festsaß. Niemand hat sich weiter drum gekümmert, weil der zweite Aufzug funktionierte.
Samat berichtet mir diese Einzelheiten, gibt zwischendurch seinen Mitarbeitern Anweisungen, fragt nach dem Wagen, der kommen muss. Dann wendet er sich mir zu.
Der Elektrotechniker sei zufällig im Krankenhaus gewesen, man habe ihn wegen irgendeines Apparates in den Operationssaal geholt. Den Aufzug wollte er sich am nächsten Tag vornehmen, doch, bevor er ging, noch nachsehen, wo der Defekt steckte. Und habe sofort Alarm geschlagen.
„Was meinen Sie, ist es hier passiert?“
„Ich nehme es an“, sagt Samat. „Sehen Sie sich seinen Kittel an.“
Er ist völlig sauber. Das heißt, er ist nicht irgend woanders hingefallen und nicht hierher geschafft worden. Er wurde in der Kabine des Aufzugs ermordet oder vor dessen Tür.
„Hat ihn jemand gesehen? Vielleicht vom Küchenpersonal?“
Es stellt sich heraus, dass die Küchen von elf Uhr abends bis vier Uhr morgens geschlossen sind. Eine einzige Frau ist über Nacht da, die im Bedarfsfall Tee und Kaffee herausgibt. Sie sei sich nicht sicher, meint aber, Doktor Dawud gesehen zu haben… diesen Dawud. Und irgendeinen Mann aus der Wäscherei.
Samat hat die Wäscherei natürlich überprüft und nichts Verdächtiges gefunden. Dieser Mann ist entweder verschwunden, oder es hat ihn nicht gegeben. Und das Blockieren des Aufzugs ist ein ganz einfacher Trick. Ein Schraubenzieher, ein Ende Leitungsdraht und das nötige Geschick. Wenn der Elektriker nicht hier gewesen wäre, wäre die ganze Sache erst morgen früh entdeckt worden.
Aber was nützt uns das?
„Herr Kollege“, sagt Samat, „kann ich Sie einmal sprechen?“
Seine Stimme klingt übertrieben höflich, was mir nicht gefällt. Er ist ein wenig betreten, versucht aber, es nicht zu zeigen.
Wir lassen die anderen allein, damit sie mit ihren Aufnahmen und Skizzen zu Ende kommen, und steigen hinauf ins Zimmer des diensthabenden Arztes. Die Korridore der Station sind menschenleer. Sogar die Lampe über dem Operationssaal brennt nicht.
Wir treten in das Arbeitszimmer, und Samat langt ohne lange Vorrede in seine Jackentasche. Er bringt etwas zum Vorschein, das in sein Taschentuch geschlagen ist, wickelt es aus und legt es auf den Schreibtisch.
Es ist Larcheys Mordfeuerzeug.
„Ja?“, sage ich nach einer recht langen Pause. Etwas anderes fällt mir im Moment nicht ein.
„Wir haben es draußen, vor der Tür zum Lagerraum gefunden. Die Kugel ist abgefeuert, Sie können sich überzeugen.“
Ich brauche mich nicht überzeugen, es ist klar.
„Und ist er mit dieser Kugel ermordet worden?“
„Allem Anschein nach. Bei der Autopsie werden wir es erfahren.“
Wir schweigen. Unsere so gut vorbereitete Falle!
„Herr Kollege“, sagt Samat nach einer Weile, „ich beabsichtige, dem Kommissar vorzuschlagen, Doktor Larchey suchen zu lassen, und zwar als besonders gefährlich…“
Er spricht nicht zu Ende. Der ganze Satz würde lauten: „als besonders gefährlichen Verbrecher.“
Er hat das offenbar genau überlegt und wartet jetzt auf meine Reaktion. Im ersten Moment bin ich einfach baff.
„Sie wollen… wirklich?“
Das da in der Kabine des Aufzugs hat nicht Larchey getan, und Samat weiß das genau. So kaltblütig und berechnend gehen nur professionelle Mörder zu Werke. Und das Feuerzeug ist eine Finte, noch dazu eine der aller primitivsten! Doch Samat schaut vielsagend gerade auf das Feuerzeug. „Das kann sonst wer dahin geworfen haben!“, sage ich.
„Völlig klar“, stimmt er mir zu. „Aber es gehört ihm, nicht wahr? Und Sie haben selbst erklärt, dass die letzten Fingerabdrücke… dort, in seinem Zimmer, von Doktor Larchey stammten!“
„Das ist inszeniert worden! Jetzt glaube ich auch Ihrem Agenten nicht mehr, der ihn in der Bar gesehen hat.“
Er zögert einen Augenblick.
„Dennoch: Sie können seine Beteiligung an diesem Mord nicht mit Bestimmtheit ausschließen.“
Das kann ich nicht. Aber das ist kein ausreichender Grund
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