Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Pharma-Kartell

Das Pharma-Kartell

Titel: Das Pharma-Kartell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
Vom Netzwerk:
Prüfungen und Basketball. Sie informieren ihre Mutter ausführlich über das Basketballspiel, obwohl sie sich betont für die Prüfungen interessiert.
    Wir grüßen uns, die Jungen verlangsamen den Schritt und lassen ihre Mutter vorangehen. In ihren Augen glänzt so eine ungespielte Neugier und der Wunsch, mich anzusprechen, dass ich nicht widerstehen kann. Ich bin auch mal ein Junge gewesen und weiß, wie es ist.
    „Ich hab’ da was von Basketball gehört“, sage ich. „Wie stehen die Aktien?“
    Da bricht der Damm. Während ihre Mutter provokatorische Zwischenbemerkungen über den Nutzen der Mathematik einwirft, erfahre ich alles über das Basketballspiel, bis in die letzten Einzelheiten. Im Internat seien ein Dutzend Franzosen, sie hätten eine Mannschaft gebildet und schon zwei entscheidende Spiele gewonnen. Julian hätte ein tolles Dribbling drauf. Sie erklären mir, wer Julian ist.
    Im Foyer trennen wir uns. Die mathematikfeindlichen Basketballer gehen zu Abend essen, ich schaue ins Office, ob nicht ein Brief für mich da ist. Ich weiß, dass nichts da sein kann. Mein Fach ist leer.
    Die Pension hat sich belebt. Aus dem Restaurant dringen Stimmen und Lärm. Leute kommen die Treppe herunter. Manche kenne ich, andere nicht. Irgendwo im Obergeschoss spielt ein Radio.
    Ich schwanke, ob ich zu Abend essen soll, und komme zu dem Ergebnis, dass es noch zu früh ist. Besser, ich sehe nach, wie die Lage in Larcheys Zimmer ist. Meine Deklaration vom Nachmittag über seinen Auftrag könnte bei irgendjemandem eine neue Anwandlung von Neugier hervorgerufen haben.
    In Nummer 39 ist alles unverändert. Der Mikrofotoapparat ist nicht ausgelöst worden – ich traue ihm übrigens nicht mehr allzu sehr. Auf dem Schreibtisch dieselbe pedantische Ordnung, das Bett akkurat gemacht, die Gardinen sind zugezogen. Aber es liegt schon etwas Undefinierbares in der Luft, wie es verlassene Zimmer an sich haben.
    Im Halbdämmer setze ich mich auf das Bett und denke an Larchey. Ich weiß nicht, wo dieses Gefühl herkommt, aber er wird nicht mehr hierher zurückkommen. Vor drei Tagen lebte das Zimmer noch, obwohl sein Bewohner davongegangen war. Jetzt ist es noch genau so, jeder Gegenstand ist am selben Platz. Aber es ist leblos, mit einem feinen Geruch nach Staub, mit den unsichtbaren Spinnweben, die aus den Ecken kriechen.
    Genauso ein Abend ist es gewesen, als Larchey aufbrach. Vielleicht hat er wie ich auf dem Bett gesessen und zugesehen, wie die Dämmerung in Wellen durch das Balkonfenster eindrang. Dann hat er die Nachttischlampe eingeschaltet und lange die Hefter auf seinem Schreibtisch geordnet. Oder er hat einen Brief an seine Familie geschrieben. Diesen Brief, den er nicht eingeworfen hat. Mir ist schwer ums Herz, dieses Zimmer bedrückt mich.
    Ich strecke die Hand aus und schalte die Lampe an. Das weiche grüne Licht holt den Schreibtisch und den Sessel aus der Dunkelheit, belebt die seltsamen Muster auf dem Teppich. In die Bücher auf dem Schreibtisch kommt auch Leben, die Titel auf ihrem Rücken schimmern, der kleine Kalender zeigt das mir wohlbekannte Datum. Dieser Kalender, der nach Jamilas Worten nicht am richtigen Platz steht.
    Ich sitze da, denke an Larchey, und auf einmal kommt mir die Erleuchtung, eine recht seltsame, doch zugleich logische. Ich glaube, jetzt verstehe ich, warum der Kalender an dieser Stelle steht. Aber dann müssen alle meine Hypothesen neu durchdacht werden. Diese winzige Kleinigkeit verschiebt erneut sämtliche Fakten und die Verbindungen zwischen ihnen, gibt ihnen einen neuen Sinn.
    Mit einem verdrossenen Seufzer stehe ich auf. Ich habe Zeit zum Überlegen, die ganze Nacht liegt noch vor mir. Doch jetzt muss ich ins Restaurant hinuntergehen, um zu Abend zu essen, und mich danach in mein Zimmer zurückziehen.
     
    Ich fahre von einem Klopfen an der Tür aus dem Schlaf. Im nächsten Sekundenbruchteil bin ich vollends wach, werfe die Decke zur Seite, jeder Muskel ist wie eine Feder gespannt.
    Dann überlege ich. Ein Überfall ist es nicht. Es kann kein Überfall sein. Ich bin in meinem wohlverschlossenen Zimmer. Nach dem Abendessen bin ich gestern auf mein Zimmer gegangen, habe über ein paar Dinge nachgedacht und ein bisschen gelesen. Danach bin ich eingeschlafen. Instinktiv schaue ich auf die Uhr an meinem Handgelenk. Zehn vor zwei. Wer kann um diese Zeit etwas von mir wollen?
    Abermals klopft es.
    „Sie werden verlangt, Monsieur!“ Das ist Madame Emmas Stimme.
    „Einen Moment!“
    Hastig fahre

Weitere Kostenlose Bücher