Das Pharma-Kartell
ich in meine Sachen und nähere mich der Tür von der Seite. Diese Türen sind nicht sehr vertrauenerweckend.
„Wer verlangt nach mir, Madame?“
Eine zweite Stimme meldet sich. Das ist Samats Assistent, einer der Jungs, die im Krankenhaus Wache halten. Der Inspektor möchte mich sehen, wenn möglich sofort.
Ich mache auf. Vor der Tür steht wirklich einer unserer angeblichen Pfleger – der, der mich am Abend eingelassen hat. Und Madame Emma, die so freundlich lächelt wie unter diesen Umständen möglich. Ich entschuldige mich für die Aufregungen, die ich ihr bereite, sie geht die Treppe hinunter, ich bitte Samats Assistenten in mein Zimmer, solange ich brauche, um mich fertigzumachen. In der nächsten Minute erfahre ich, dass im Krankenhaus jemand ermordet worden ist.
„Larchey?“, frage ich mit zugeschnürter Kehle. Ich bin fast sicher, dass er es ist.
Nein, es ist nicht Larchey. Ein unbekannter Mann. Er ist in einem der Aufzüge gefunden worden, die vom Kellergeschoss zu den Stationen führen. Sie hätten gedacht, der Aufzug sei defekt, weil er spätnachts zwischen zwei Stockwerken stecken geblieben sei. Niemand habe weiter darauf geachtet, und nur durch einen Zufall hätten sie entdeckt, was geschehen war. Inspektor Samat sei schon dort.
Das ist alles, was er weiß.
Die Achillesferse des Krankenhauses. Unsere Falle. Sie ist zugeschnappt, hat aber einen Toten gefangen. Der zweite Ermordete innerhalb von achtundvierzig Stunden. Und wer ist es?
Der Polizei ist er nicht bekannt. Sie sehen ihn zum ersten Mal.
Wir rennen die Treppe hinunter. Der Wagen, der mich gestern Abend hergebracht hat, wartet jetzt vor dem Außentor. Im Auto sitzt Elyas, der auf geheimnisvolle Weise aufgetaucht ist. Samats Assistent fährt - er wendet, wir kommen auf die Straße und brausen mit Höchstgeschwindigkeit davon.
Alles erscheint mir unwirklich – vielleicht, weil es so schnell ging. Mir ist, als schliefe ich noch und als sei der Traum so realistisch, dass ich nicht aufwachen kann. Das Licht der Scheinwerfer zeichnet vor uns einen Kreis, und wir jagen ihm wie hypnotisiert nach, während seitwärts die hohen, gestutzten Hecken vorbeifliegen. Zwei Uhr nachts, die Villen von Al Agadir schlafen.
Die Stadt liegt wie tot da, nur die Verkehrsampeln blinken warnend an den Kreuzungen. Samats Assistent wirft einen Blick in die leeren Straßen und fährt bei Rot ’rüber.
Der Pförtner am Eingang des San Benjamin Krankenhauses weiß wahrscheinlich noch nicht, was geschehen ist, denn er beachtet uns überhaupt nicht, als wir an ihm vorbeieilen. Sicherlich glaubt er, wir seien von der Nachtpraxis. Der andere Pförtner jedoch ist unterrichtet, er fragt mit dem Blick und bekommt ebenfalls durch einen Blick die Antwort, wer ich bin.
Wir biegen zur Treppe ab, die in das Kellergeschoss hinunterführt. Es folgt ein langer betonierter Gang, mit Feuchtigkeit und dem Geruch ungewaschener Wäsche vollgesogen. Hier irgendwo ist die Wäscherei. Ihr hässliches Gebrumm ist hinter der Wand zu hören.
Der Korridor ist zu Ende, der Geruch wird von den üblichen Küchengerüchen verdrängt. An der Biegung steht ein Mann in Zivil, der die Hand hebt, um uns anzuhalten, dann erkennt er uns jedoch.
Jetzt weiß ich, wo ich bin. Links sind Türen zu den Küchen, genau geradeaus die beiden Aufzüge. Davor stehen, mit dem Rücken zu mir, vier Männer. Das Blitzlicht eines Fotoapparates flammt in gleichmäßigen Abständen auf.
Einer der vier ist Samat; er dreht sich um und erblickt uns, dann macht er mir neben sich Platz. Sein Gesicht ist unbeschreiblich finster. Und nicht ohne Grund.
In der Kabine des Aufzugs liegt mit unnatürlichen eingebogenen Armen Doktor Dawud. Dies ist der Mann… jener Mann von Sophies Filmrolle. Der Mann aus dem Citroën mit dem femininen Gesicht. Er ist kleiner als Dawud und sieht ihm ähnlich, aber nicht ganz. Alles rührt von der dünnen Maske her, die er trägt. Sie ist völlig durchsichtig, aus Latex-Gummigemisch, und hat die charakteristischen Züge Doktor Dawuds. Die Kleidung vervollständigt die Illusion. Sogar ich habe mich im ersten Moment täuschen lassen.
„Raffiniert!“, stößt Samat durch die Zähne. „Eine elastische Maske.“
Ich weiß. Habe so was in den Spezialmuseen gesehen. Und da wir es mit Fra Melin und seinen Möglichkeiten zu tun haben, hätten wir es voraussehen müssen. Sie hätten jeden Beliebigen von uns kopieren können, und sogar noch besser. Denn diese Kopie gehört nicht zu den
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