Das Philadelphia-Komplott
dem Haus seines Vaters. Nachdenklich blieb er im Wagen sitzen und betrachtete den kleinen Garten und das alte verwitterte Haus. Es war eiskalt, und auch wenn er der Kälte nicht viel abgewinnen konnte, war er heute doch froh darum, denn sie hielt neugierige Nachbarn von der Straße fern. Das letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, waren Zuschauer für seine wahrscheinliche Niederlage bei dem Versuch, sich mit seinem Vater zu versöhnen.
Nach ein paar Minuten schaltete er den Motor aus und schwang sich aus dem Wagen. Das kleine Rasenstück im Vorgarten war vom Winter ganz braun geworden. Angeschlagene, leere Blumentöpfe warteten entlang des verwitterten Weges darauf, bepflanzt zu werden, und das Haus benötigte dringend einen neuen Anstrich. Das ganze Grundstück machte einen leicht vernachlässigten Eindruck, und trotzdem war es noch das gleiche Haus, in dem er ein paar seiner besten Jahre verbracht hatte. Er klingelte, und nach etwa zehn Sekunden hörte er Schritte. Nicht das Schlurfen eines alten kranken Mannes, wie er erwartet hatte, sondern den vertrauten starken Schritt seines Vaters.
Die Tür wurde nur einen Spaltbreit geöffnet und ein misstrauisch blickendes Augenpaar blinzelte Jake entgegen. Innerhalb einer halben Sekunde verhärtete sich der Gesichtsausdruck von Wendell Sloan. Die Krankheit hatte den alten Mann gezeichnet – er wirkte dünner und ging gebeugter als früher. Tiefe Furchen durchzogen sein wettergegerbtes Gesicht. Doch die dunklen braunen Augen blickten noch genauso scharf und klar wie damals.
“Hi, Pa.” Es fiel Jake nicht leicht, die ungewohnten Worte auszusprechen.
Anscheinend ungerührt von den Gefühlen in der Stimme seines Sohnes straffte Wendell die Schultern. “Was machst du hier?”
Vielleicht nicht das freundlichste Willkommen, aber immerhin war die Tür noch geöffnet. “Ich war gerade in der Gegend und dachte, ich schau mal vorbei.”
“Schlechte Idee.”
Er begann, die Tür zu schließen, aber Jake streckte seinen Arm aus und hielt dagegen. “Diesmal wirst du mich nicht wieder so einfach los, Pa.” Er gab der Tür einen leichten Stoß und ging an dem alten Mann vorbei in den kleinen Flur, wo immer noch die alte Holzkommode an der Wand stand.
Als sein Vater die Tür losließ, schloss Jake sie vorsichtig. “Meinst du nicht, es ist an der Zeit, dass wir unseren Streit beenden und wieder miteinander reden?”
“Dieses Gespräch hatten wir schon.”
“Und wir werden es noch einmal führen, ob es dir nun gefällt oder nicht.”
“Was ist los mit dir, Junge? Wer gibt dir das Recht, einfach in mein Haus zu stürmen und mir Befehle zu erteilen? Das ist hier nicht die Armee, und ich bin nicht einer deiner Soldaten.”
“Ich bin nicht hier, um dir Befehle zu erteilen, sondern weil ich es leid bin, dass du immer auflegst, wenn ich dich anrufe. Und ich bin es leid, an all die Dinge zu denken, die ich in den letzten Jahren hätte tun können, um unsere Beziehung zu kitten, und die ich doch nicht getan habe.” Er war sich nicht sicher, von wo die nächsten Worte kamen. Er hatte sie nicht so früh sagen wollen, aber sie sprudelten einfach aus ihm heraus. “Ich liebe dich, Pa. Und ich vermisse dich.”
Falls diese Worte Wendell milder stimmten, so zeigte er es nicht. Sein Rücken blieb gestreckt, seine Schultern gerade, seine Miene versteinert. “Ich weiß nicht, was auf einmal über dich gekommen ist, aber zu deiner Information: Es hat sich nichts geändert. Du bist für mich immer noch verantwortlich für das, was dieser Familie passiert ist. Für die
Zerstörung
dieser Familie.”
“Und genau da liegst du falsch.” Jake bewahrte die Ruhe. “Bills Tod war eine Tragödie, aber es war
nicht
meine Schuld.”
“Du warst der Grund, warum er überhaupt zu den Marines gegangen ist.”
“Seine
Wut
war der Grund dafür. Er fühlte sich betrogen, nicht von mir, sondern von dir und Ma, den beiden Menschen, denen er am meisten auf dieser Welt vertraut hat. Wenn ihr ihm erzählt hättet, dass er adoptiert wurde, und es nicht wie ein schmutziges Geheimnis vor ihm verborgen hättet, hätte er es nicht auf diese Art herausfinden müssen.”
“Und ich nehme an, dafür bist du auch nicht verantwortlich?” Die Stimme seines Vaters troff vor Sarkasmus.
Jake seufzte. “Ich wollte es ihm
nie so
sagen. Wir feierten meinen Abschluss und hatten zu viel getrunken. Als ich ihm erzählte, dass ich den Job bei Lockheed Martin nicht annehmen, sondern zur Armee gehen würde, war er
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