Das Philadelphia-Komplott
Schmerzen.
Offensichtlich ging es ihm jedoch besser als er aussah, denn er begrüßte sie mit einer spitzen Bemerkung. “Ach du Scheiße”, sagte er. “Sieh einer an, wer mir da erneut seine Aufmerksamkeit schenkt. Sie habe ich jetzt überhaupt nicht erwartet. Was ist los, Apfelbäckchen, hat dich mein Anblick auf der Krankenstation so angemacht?”
Während Cranston es vorzog, stehen zu bleiben, zog Syd sich einen Stuhl neben die Pritsche, auf der Avery lag, und setzte sich. “Wissen Sie, warum ich hier bin, Doug?”
“Weil Sie scharf auf mich sind?”
“Davon mal abgesehen.”
Er versuchte, zu lachen, aber die Schmerzen waren zu stark. “Nein.”
“Ich hoffte, dass Sie mir erzählen würden, warum Ihre drei Zellkumpanen Sie zusammengeschlagen haben.”
“Das wissen Sie doch – weil ich sie zuerst geschlagen habe.” Er zuckte die Schultern. “Sie wollten mir wohl eine deutliche Lektion erteilen.”
“Sie haben sich mit drei Männern angelegt?” Sie schüttelte den Kopf. “So hart sind Sie nicht, Avery. Oder so dumm.”
Er schwieg.
“War die Schlägerei Victor van Heusens Art, Sie zu warnen?”, beharrte sie. “Und sicherzustellen, dass Sie Ihren Mund halten?”
“Sie sind immer noch so hartnäckig und dumm wie früher, Lady.”
Syd sah zu Cranston hinüber, der schweigend die Augenbraue hochzog.
“Ich kann Sie nicht beschützen, wenn Sie nicht mit mir zusammenarbeiten, Doug.”
“Falls Sie mit Zusammenarbeiten meinen, dass ich Ihnen etwas erzählen soll, was nicht wahr ist, dann kann ich Ihnen nicht helfen. Ich weiß nichts.”
“Das sah gestern im Gerichtssaal aber noch ganz anders aus. Sie schienen ziemliche sauer auf Victor van Heusen gewesen zu sein, und bereit, eine ganze Menge zu sagen.”
Welchen Groll er auch immer gegen van Heusen gehegt hatte, der Zorn schien komplett verraucht zu sein. “Ich war nur angepisst, weil er mir keinen ordentlichen Anwalt besorgen wollte. Ich habe einfach das gesagt, was mir als Erstes durch den Kopf ging.”
Syd betrachtete für einen Moment Averys wüst zugerichtetes Gesicht. Wer immer dahintersteckte – und sie hatte van Heusen in Verdacht – hatte seine Aufgabe perfekt erfüllt, physisch und psychisch. Wenn sie den richtigen Ansatz finden würde, könnte sie ihn aber vielleicht doch noch weich kochen. “Ich könnte Ihren Aufenthalt hier um einiges erleichtern, Doug. Und auch verkürzen. Sie erzählen mir, was Sie über Victor van Heusen wissen, und wenn die Informationen nützlich sind, bin ich bereit, Ihnen einen Deal anzubieten.”
“Sie meinen Sie lassen mich gehen? Frei und rehabilitiert?”
“Nein. Aber wenn Sie für
schuldig
statt
nicht schuldig
plädieren und damit dem Staat die Kosten eines aufwändigen Verfahrens ersparen, würde ich ein wesentlich leichteres Strafmaß ansetzen.”
Sein Lachen wurde zum Husten und trieb ihm Schmerzenstränen in die Augen. “Raus mit Ihnen”, keuchte er und schlang die Arme um seinen Körper. “Ich habe Ihnen nichts zu sagen.”
Syd wartete einen Moment und hoffte, er würde seine Meinung noch einmal ändern. Doch als klar war, dass er das nicht tun würde, nickte sie Cranston zu und stand auf.
“Lassen Sie mich wissen, wenn er bereit ist, zu reden”, war alles, was sie sagte, bevor sie hinausgingen.
Aber tief in ihrem Inneren wusste sie, dass er nicht reden würde.
27. KAPITEL
S yd war nur noch einen Block von ihrem Büro entfernt, als ihr Handy plötzlich klingelte. Es war Dot – und sie klang nicht traurig, sondern nahezu hysterisch.
“Ein Gerichtsdiener hat mir gerade eine Nachricht gebracht!”, schluchzte sie verzweifelt. “Mike hat einen Antrag gestellt.”
“Was für einen Antrag?”
“Auf das Sorgerecht für Prudence! Er sagt, dass wir sie gefangen halten”, fuhr Dot fort. “Dass ich nicht in der Lage bin, für sie zu sorgen, und dass während Lillys Abwesenheit oder im Falle ihres Todes … Kannst du dir vorstellen, dass er das sagt, Syd? Dass Lilly
tot
sein könnte …”
“Lies den Antrag zu Ende vor, Dot.”
Dot schniefte und musste sich einen Moment sammeln. “… im Falle des möglichen
Todes
der Mutter soll das Sorgerecht wieder auf ihn übertragen werden. Kann er das machen, Syd?”, fragte sie mit angsterfüllter Stimme. “Kann das Gericht das ursprüngliche Urteil aufheben?”
Unglücklicherweise lautete die Antwort wahrscheinlich
ja.
Das Sorgerecht war Lilly übertragen worden, nicht ihrer Familie – und sicher nicht acht Nonnen, egal, mit
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