Das Philadelphia-Komplott
gibt.”
“Aber bis wir nicht vom Gegenteil überzeugt wurden, müssen wir davon ausgehen, dass Lilly noch lebt.”
“Ich weiß. Ich dachte nur, wenn Lilly ihre Mutter im Testament als Vormund eingesetzt hat, wäre das eventuell Grund genug für das Gericht, einer Umwandlung des Sorgerechts gar nicht erst zuzustimmen. Denn egal wie sehr Lilly ihre Mutter auch liebt, sie würde ihr ihre Tochter nie anvertrauen, wenn sie das Gefühl hätte, sie damit zu überfordern.”
“Wo ist das Kind im Moment?”
“Bevor sie entführt wurde, hatte Lilly Angst um Prudences Sicherheit, also hat sie sie an einen geheimen Ort gebracht.”
Er zog fragend die Augenbrauen hoch. “Sie ist nicht bei ihrer Großmutter?”
“Nein.”
“Ich verstehe.” Er schaute sie mitfühlend an. “Du solltest dich darauf vorbereiten, Sydney – in Pennsylvania hat jedes Elternteil das Recht, sich um das Sorgerecht zu bewerben. Wenn du nicht nachweisen kannst, dass Lillys Exmann
nicht
in der Lage ist, sich um Prudence zu kümmern, wird der Richter keine andere Wahl haben, als ihm das Sorgerecht zuzusprechen. Zumindest so lange, bis die Mutter wieder da ist.”
28. KAPITEL
K urz nach der Scheidung von Lilly hatte Mike sich ein kleines, aber hübsches Reihenhaus in einer der beliebtesten Wohngegenden von Philadelphia gekauft. Syd hatte keinen Zweifel, dass das nächste Woche vor Gericht sicher für ihn sprechen würde.
Nach vielen Überlegungen hatte Syd sich entschlossen, direkt mit Mike zu sprechen und an etwas zu appellieren, von dem sie nicht wusste, ob er es überhaupt besaß – seinen Anstand. Ein Detective, den sie nicht kannte, war an Mikes Telefon gegangen und hatte ihr gesagt, dass Mike sich krank gemeldet hätte und die nächsten Tage seine Grippe zu Hause auskurieren würde. Also fuhr Syd zu Mikes Haus, um persönlich mit ihm zu reden.
Um diese Uhrzeit lag die Lawndale Street ruhig da, und es gelang Syd auf Anhieb, einen Parkplatz zu finden. Sie wollte gerade aussteigen, als die Tür von Mikes Haus sich öffnete, und ein Mann mit hellbraunen Haaren und einer gelben Skijacke herausgestürmt kam. Dem grimmigen Ausdruck in dem attraktiven Gesicht nach zu urteilen und der Art, wie er die Tür hinter sich zuschmiss, hatte er nicht die beste Laune.
Sie sah ihm nach, bis er in einen dunkelblauen Audi einstieg. Als der Wagen davonfuhr, merkte sie sich das Kennzeichen. Jeder, der Ärger mit Mike hatte, konnte von Bedeutung sein.
Mike öffnete beim ersten Klopfen. Er sah blass und müde aus, schaffte es aber, irritiert zu seufzen, als er Syd erblickte. “Das ist gerade keine gute Zeit, Sydney.”
“War es letztes Mal auch nicht, als du einfach in meiner Wohnung aufgetaucht bist, aber davon hast du dich auch nicht aufhalten lassen.”
“Was willst du?”
Sie hoffte, dass die Grippe und seine schlechte Verfassung ihn ein bisschen milder und weniger angriffslustig gestimmt hatten. “Ich möchte mit dir über den Antrag reden, den du bei Gericht eingereicht hast.”
“Du weißt schon, dass dich das nichts angeht?”
“Ich bin Prudence Patentante. Ihr Wohlergehen geht mich sehr wohl etwas an.”
“Mein Antrag hat mit Dot zu tun, nicht mit dir.”
Okay, hier komme ich nicht weiter, dachte sie. “Mike, bitte, tu das dem kleinen Mädchen nicht an.”
“Was soll ich ihr nicht antun? Ich liebe meine Tochter. Ich möchte sie bei mir haben. Ist das so schlimm?”
“Der Richter wird sie befragen wollen. Sie muss sich zwischen ihrem Vater und ihrer Oma entscheiden. Sie ist doch erst sechs, Mike, und im Moment ist sie sehr verwirrt. Du verstärkst ihre Ängste mit dieser Aktion nur.”
“Vanessa und ich werden ihr so viel Liebe und Zuneigung schenken, dass sie alles, was passiert ist, ganz schnell vergessen wird.”
“Vanessa liebt Prudence nicht so, wie Dot sie liebt. Die Kleine aus der Umgebung, die für sie so etwas wie eine zweite Heimat ist, wegzureißen, wird für sie grausam und traumatisch sein.”
Mike lachte höhnisch. “Ich liebe es, wenn du so bettelst, Sydney. Mach bitte weiter.”
Er hatte sich kein bisschen verändert – er war immer noch der gleiche verschlagene Mistkerl. Da konnte auch eine Grippe nichts ausrichten. “Zieh den Antrag zurück, Mike. Denk endlich einmal an jemand anderen, als immer nur an dich. Und tu einmal im Leben das Richtige.”
“Für eine Weile warst du ganz interessant, Sydney, aber jetzt fängst du an, mich zu langweilen.” Er öffnete die Tür ein Stückchen weiter und schaute
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