Das Portal der Dämonen - Connolly, J: Portal der Dämonen - The Gates
winziges Loch in diese Tore gerissen, und doch war es groß genug, dass sich Abgesandte des Großen Verderbers hindurchzwängen konnten. Sie waren Boten und zugleich Wächter des Portals. Sie auszuschicken, war auch der erste Schachzug des Großen Verderbers, um den Ort seiner Verbannung zu verlassen, der nicht viel besser war als die Ödnis, in der Nurd sich befand, die Geißel der fünf Gottheiten. Aber immerhin hatte man eine schönere Aussicht und ein paar Stühle mehr.
Wenn man jedoch wahllos Energie durch Portale hindurch von einer Dimension in die andere fließen lässt, ohne sicher zu sein, was am Ende dabei herauskommt, dann ist die Wahrscheinlichkeit dummerweise groß, dass ein Teil dieser Energie dort landet, wo sie nicht landen soll, so wie Funken, die beim Schweißen vom Schweißgerät wegfliegen. Einer dieser Energiefunken hatte zu einem bedauerlichen Missgeschick geführt und einen schmalen Riss zwischen unserer Welt und Nurds Reich, genauer gesagt, Nurd selbst aufgetan.
Wie von ihm erhofft, war es dem Großen Verderber gelungen, einen Fuß in den Türspalt zu setzen.
Und ganz ungewollt hatte er dabei ein Fenster aufgestoßen.
Nurd, die Geißel der fünf Gottheiten, war frei.
Nurd fühlte sich schwindelig und ihm war auch ein bisschen schlecht, als wäre er gerade Karussell gefahren. 11
11 Auch für dieses Gefühl der Übelkeit gibt es einen Dämon: Gulp, Dämon der Dinge, die sich einen Tick zu lange drehen. Zusätzlich war er verantwortlich für den Geruch-nach-Zuckerwatte-wenn-man-gerade-gar-keinen-Appetit-darauf-hat und den Geruch-der-in-der-Luft-hängt-wenn-kleinen-Kindern-übel-ist.
Er wusste nicht recht, was passiert war, außer dass es ziemlich wehgetan hatte. Aber er wusste mit Bestimmtheit, dass er nicht mehr auf einem Thron mitten in einer trostlosen grauen Welt residierte, nur in der Gesellschaft eines kleinen Dämons, der aussah wie ein räudiges Wiesel – und das konnte nur etwas Gutes bedeuten. Er spürte, wie ein Luftzug über seine Haut hinwegstrich. (Nurd hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit Menschen, abgesehen davon, dass seine Ohren viel zu spitz waren und sein Kopf viel zu groß für seinen Körper schien.) Obwohl alles um ihn herum dunkel war, unterschieden seine Augen die Umrisse von Dingen, die ihm bislang völlig unbekannt waren.
»Ich bin … irgendwo anders«, stellte Nurd fest. Obwohl er niemals woanders als in der Ödnis gewesen war – abgesehen von einem kurzen Ausflug in weiter entlegene Gegenden der Hölle, aber das war, bevor er sich den Unmut des Großen Verderbers zugezogen hatte –, kapierte er sofort, wohin es ihn verschlagen hatte. Er befand sich an dem Ort-der-Leute, der Menschen. Er war jetzt ein mächtiger Dämon, der losgelassen worden war auf die Schwachen und Unscheinbaren. All seine Wut, seine Schmerzen, seine Einsamkeit bündelte er nun, und daraus erwuchs Energie und Macht, mit der er diese neue Welt zu beherrschen gedachte. Seine Haut kribbelte und begann rot zu glühen wie Lavaströme unter dem flüssigen Gestein nach einem Vulkanausbruch. Dieses Glühen erreichte auch seine Augen und verlieh ihnen eine Wildheit, die sie schon seit Langem nicht mehr gehabt hatten. Dampf zischte aus seinen Ohren, und er riss seinen Mund weit auf, als er sich anschickte, all jenen, die seinen Zorn bald zu spüren bekommen würden, seine Gegenwart auf Erden zu verkünden.
»Ich bin Nurd!«, brüllte er. »Ihr werdet eure Häupter vor mir neigen!«
Ein Licht erschien. Es war beunruhigend hell und bildete ein riesengroßes Rechteck – die Umrisse einer Tür, die größer war als jede andere Tür, die Nurd selbst in den tiefsten Tiefen der Hölle je gesehen hatte. Dann ging die Tür ganz auf und tauchte Nurds neue Welt in gleißendes Licht. Ein gigantisches Wesen kam auf ihn zu, ein Koloss in pinkfarbenem Rock und weißer Bluse. Es hielt etwas in der Hand, eine plumpe Kreatur mit langem Rüssel und viereckigem Mund.
»Oh, Mist …«, stieß Nurd gerade noch hervor, ehe ihn Mrs Johnsons Staubsauger unter sich begrub und alles um ihn herum wieder in Dunkelheit versank.
In der Ödnis versuchte derweilen Wermut immer noch zu begreifen, was genau seinem ungeliebten Meister zugestoßen war. Er pikste mit dem Finger in das Kissen, auf dem Nurd noch kurz zuvor gesessen hatte, und fragte sich, ob Nurd die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen, die ganze Zeit vor ihm verborgen hatte und sie jetzt nur deshalb einsetzte, um der Langeweile zu entfliehen. Er
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