Das Portal der Dämonen - Connolly, J: Portal der Dämonen - The Gates
erzählt hat?«
Mrs Johnson hörte, wie die Worte aus ihrem Mund kamen, noch ehe ihr klar war, dass sie sie gedacht hatte.
»Aber ja«, sagte sie. »Erst heute Morgen hat er von Ihnen gesprochen.«
Mrs Abernathy lächelte, aber das Lächeln gefror auf ihren Lippen.
»Und was hat er erzählt?«
»Er glaubt scheinbar …«
»Ja?«
»… dass Sie öffnen wollen …«
»Sprechen Sie weiter.«
Mrs Abernathy hatte sich inzwischen ganz dicht zu Mrs Johnson gebeugt. Ihr Atem stank und ihre Zähne waren gelb. Ihr Lippenstift war knallrot und ein wenig verschmiert. Es sah wirklich ein bisschen aus wie Blut, dachte Mrs Johnson. Mrs Abernathys Zunge schoss hervor, und einen Moment lang hätte Mrs Johnson schwören können, dass sie gespalten war wie die Zunge einer Schlange.
»… die Tore …«
»Welche Tore?«, fragte Mrs Abernathy. »Welche Tore?« Sie packte Mrs Johnson an der Schulter. Ihre Fingernägel gruben sich so fest in den Arm, dass Mrs Johnson aufstöhnte.
Aber der Schmerz riss sie aus ihrem Dämmerzustand. Mrs Johnson trat einen Schritt zurück und blinzelte. Als sie die Augen wieder aufschlug, stand Mrs Abernathy ein Stückchen weiter weg und blickte seltsam drein.
Sosehr sie sich auch bemühte, Mrs Johnson konnte sich nicht mehr daran erinnern, worüber sie gerade gesprochen hatten. Es hatte etwas mit Samuel zu tun, aber was?
»Geht es Ihnen gut, Mrs Johnson?«, fragte Mrs Abernathy. »Sie sehen aus, als fühlten Sie sich unwohl.«
»Nein, mir geht es gut«, versicherte Mrs Johnson, obwohl es ihr gar nicht gut ging. Sie hatte immer noch den Geruch von Mrs Abernathys Parfum in der Nase und, was noch schlimmer war, den Geruch von dem, was es überdecken sollte. Sie wollte, dass Mrs Abernathy sie endlich in Ruhe ließ. Sie hatte sogar das Gefühl, dass es äußerst wichtig war, dass sie sich möglichst fern von Mrs Abernathy hielt.
»Nun, geben Sie lieber auf sich acht«, sagte Mrs Abernathy. »Es war nett, mit Ihnen zu plaudern. Wir sollten das viel öfter tun.«
»Ja«, sagte Mrs Johnson und meinte eigentlich »Nein«.
Nein, nein, nein, nein, nein.
Als sie nach Hause kam, saß Samuel am Küchentisch und malte mit Buntstiften etwas auf ein Blatt Papier. Bei ihrem Eintreten versteckte er es, aber sie hatte flüchtig einen blauen Kreis erkannt. Samuel blickte sie besorgt an.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Mam?«
»Ja, mein Schatz. Warum fragst du?«
»Weil du krank aussiehst.«
Mrs Johnson warf einen Blick in den Spiegel, der über der Spüle hing.
»Ja«, antwortete sie. »Ich glaube, ich bin wirklich krank.«
Sie wandte sich an Samuel. »Weißt du, wenn ich getroffen habe …« Sie hielt inne. Sie erinnerte sich nicht mehr daran, wen sie getroffen hatte. War es eine Frau gewesen? Ja, es war eine Frau, aber ihr Name fiel ihr nicht mehr ein. Eigentlich war sie sich nicht einmal mehr sicher, ob es überhaupt eine Frau gewesen war, und ein paar Sekunden später wusste sie nicht einmal mehr, ob sie überhaupt jemanden getroffen hatte. Ihr kam es vor, als wäre ihr Gehirn ein großes Haus und irgendjemand knipste gerade das Licht in allen Zimmern aus, eines nach dem anderen.
»Was hast du, Mam?«, fragte Samuel.
»Ich … weiß es nicht mehr«, sagte Mrs Johnson matt. »Ich denke, ich lege mich ein bisschen hin.«
Mrs Johnson fragte sich allmählich, ob sie nicht etwas ausbrütete. Am Tag zuvor hätte sie schwören können, dass sie eine Stimme aus dem Schrank unter der Treppe gehört hatte, gerade als sie den Staubsauger aufräumen wollte.
Sie verließ die Küche und Samuel hörte, wie sie nach oben ging. Als er ein paar Minuten später nach ihr sah, war sie schon fest eingeschlafen. Ihre Lippen bewegten sich und Samuel vermutete, dass sie einen Albtraum hatte. Er überlegte, ob er nicht eine ihrer Freundinnen anrufen sollte, vielleicht Tante Betty, die ein Stückchen weiter in derselben Straße wohnte, dann beschloss er aber, selbst ein wachsames Auge auf seine Mutter zu haben. Er würde sie einfach schlafen lassen.
Samuel ging wieder nach unten und machte seine Zeichnung fertig. Er ging sehr langsam und gewissenhaft vor und versuchte, alles ganz genau so wiederzugeben, wie er es im Keller der Abernathys gesehen hatte. Es war schon die dritte Zeichnung, die er anlegte. Die ersten beiden hatte er weggeworfen, weil sie ihm nicht exakt genug gewesen waren, aber diese war ihm besser gelungen. Ja sie war fast perfekt oder jedenfalls so genau, wie es ihm möglich
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