Das Portal der Dämonen - Connolly, J: Portal der Dämonen - The Gates
recherchieren. Er beschloss, mit dem anzufangen, was er sicher wusste, und so tippte er »Höllentor« in die Suchmaschine ein.
Das erste Ergebnis, auf das die Trefferliste verwies, bezog sich auf ein riesengroßes Bronzeportal des Künstlers Auguste Rodin, das den Titel La Porte de l’Enfer trug, was auf Deutsch Höllentor heißt. Anscheinend hatte man Rodin im Jahre 1880 gebeten, dieses Portal anzufertigen, und der hatte versprochen, sie bis zum Jahre 1885 fertigzustellen. Aber tatsächlich arbeitete Rodin noch 1917, im Jahr, in dem er starb, daran. Samuel überschlug die Zeitspanne und stellte fest, dass Rodin 32 Jahre im Verzug gewesen war. Er fragte sich, ob Rodin vielleicht ein Vorfahre von Mr Armitage, dem Maler hier im Ort, war, der ihr Wohnzimmer und ihr Esszimmer an einem Wochenende hatte neu streichen sollen, der aber in Wirklichkeit sechs Monate dazu gebraucht hatte, und auch dann war noch eine Wand und ein Teil der Zimmerdecke nicht gemacht. Als sie sich einmal auf der Straße begegnet waren, hatten Samuels Vater und Mr Armitage einen heftigen Streit deswegen begonnen. »Das ist doch nicht die Sixtinische Kapelle«, hatte Mr Armitage gesagt. »Ich werde die Decke fertig streichen, sobald ich kann. Ihretwegen soll ich mich wohl als Nächstes auf den Rücken legen und Engel malen.« 16
16 Der Maler Michelangelo bemalte zwischen 1508 und 1512 die Decke der Sixtinischen Kapelle in Rom. Zu diesem Zweck musste er ein Gerüst verwenden, doch weil die Decke so hoch war, konnte er das Gerüst nicht vom Boden aus errichten, also baute er eine besonders flache hölzerne Zwischendecke, die an Haken neben den Fenstern aufgehängt war.
Die Decke zu bemalen, war eine sehr unbequeme Angelegenheit, wie du dir sicher vorstellen kannst, aber es gehört ins Reich der Legende, dass Michelangelo dazu auf dem Rücken liegen musste. Stattdessen stand er vier Jahre lang aufrecht, den Kopf in den Nacken gelegt. Danach tat ihm alles weh, sodass er ein Gedicht darüber schrieb:
Ein Kropf ist mir gewachsen bei all der Plackerei,
Ich sehe aus wie Katzen aus der Lombardei,
Die dort vom Wasser dicke Kröpfe kriegen,
Mein Kinn kann oben auf dem Bauch nun liegen.
Mein Bart ragt himmelwärts, und das Genick
Von so viel Mühsal ist ganz dick!
Die Brust sich wölbt wie bei ’ner Hexe,
das Gesicht ein Mosaik der Pinselkleckse.
Und so geht es ein paar Strophen lang weiter, deren Inhalt man etwa wie folgt zusammenfassen könnte: »Autsch …«
Samuels Vater hatte entgegnet, wenn Mr Armitage tatsächlich die Decke der Sixtinischen Kapelle hätte bemalen sollen, dann hätte er statt der vier Jahre sicherlich zwanzig gebraucht, und Gott hätte noch immer keinen Bart. Mr Armitage hatte daraufhin etwas sehr Unanständiges erwidert und war davongestapft.
Samuels Vater hatte daraufhin die Wand und die Decke selbst gestrichen.
Mehr schlecht als recht.
Wie auch immer, Rodins Höllentor waren zwar sehr beeindruckend, aber da war keine Spur von blauem Licht. Samuel hatte auch gelesen, dass Rodin von einem Dichter namens Dante und seinem Werk Die Göttliche Komödie inspiriert worden war. Deshalb vermutete er, dass weder Dante noch Rodin die Tore der Hölle jemals mit eigenen Augen gesehen hatten und ihre Darstellungen nur ihrer Fantasie entsprangen. 17
17 Die Göttliche Komödie ist kein lustiges Werk, und das soll sie, obwohl sie Komödie heißt, auch gar nicht sein. Zu Dantes Zeit bezeichnete man als Komödie ein Werk, in dem sich der Glaube an die Ordnung der Welt widerspiegelte. Ernsthafte Werke wurden damals zumeist in lateinischer Sprache verfasst, Dante aber schrieb in einer neuen Sprache: auf Italienisch. Trotzdem sind manche Komödien zum Beispiel von Shakespeare in der Tat komisch, nur nicht, wenn man sich in der Schule damit befassen soll. In der Schule kommt einem alles, was Shakespeare geschrieben hat, wie eine Tragödie vor, sogar diejenigen Stücke, die gar keine Tragödien sind, was ein bisschen schade ist. Aber das liegt nur daran, wie der Lehrer sie präsentiert. Lass dich davon nicht abschrecken. Wenn du älter bist, werden die Leute beeindruckt sein, dass du Shakespeare zitieren kannst, und du wirst einen sehr gelehrten Eindruck machen. Etwas aus der Trigonometrie oder gar eine quadratische Gleichung zu zitieren, ist viel schwieriger und nicht halb so romantisch.
Danach fand Samuel noch ein paar Einträge, die zu zwielichtigen Heavy-Metal-Gruppen führten, deren Songs entweder etwas mit den Pforten
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