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Das Prachtstück

Das Prachtstück

Titel: Das Prachtstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sagte er leise. »Sehr sogar. Und mehr als das. Weißt du das? Ja, ich glaube, du weißt es. Und nicht erst seit heute. Sondern schon eine ganze Weile. Eigentlich von Anfang an. Hab’ ich recht?«
    Sie zog es vor, den letzten Teil zu überhören. »Und weshalb?« fragte, sie. Wieder einmal typisch für sie! Wieso konnte sie nicht einfach genießen?
    Â»Du bist so anders. Die Art, wie du redest. Wie du dich verhältst. Und mit deinem Kind umgehst. Kein bisschen oberflächlich. Oder vorschnell. Nein, behutsam, besonnen und irgendwie – jetzt lach bloß nicht! – reif. Wenn ich an dich denke, dann kommt mir manchmal ein einsamer Bergsee in den Sinn, klar und tiefblau. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
    Â»Vielleicht. So etwas Ähnliches, was ich dir anfangs über mich erzählt habe? Mit dem überholten Auslaufmodell, das viel besser nach vorgestern passt?«
    Â»Unsinn! Du bist absolut zeitlos. Wie ein kunstvolles Gemälde, das niemals veraltet, sondern im Lauf der Jahrzehnte immer noch wertvoller wird.«
    Â»Was für einem gnadenlosen Charmeur ich hier ausgeliefert bin! Ist ja kaum zum Aushalten!« Leicht übertrieben rang sie nach Luft. Sehr heiß geworden war ihr allerdings schon.
    Â»Bin ich doch gar nicht. Sonst vielleicht – manchmal …« Er biss sich auf die Lippen. »Früher, mag sein. Wenn ich partout nicht anders konnte. Aber heute Abend nicht. Bestimmt nicht!« Sein Ton hatte plötzlich etwas Beschwörendes.
    Â»He, was ist denn los auf einmal?« Sie bemühte sich zu lächeln, obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug. Hoffentlich machte sie nicht seinem überhöhten Bild von ihr alle Ehre und sank ihm im nächsten Moment wie eine Südstaatenschönheit ohnmächtig an die Brust! »Bist vielleicht am Ende du von uns beiden der größere Romantiker?«
    Sein Gesicht blieb ganz ernst. Er schwieg. Sah sie aber eindringlich an.
    Linda musste schlucken. Sie senkte den Kopf und nahm all ihren Mut zusammen. So zeitlos bin ich vielleicht gar nicht, wollte sie gerade sagen, als auf einmal wie von Zauberhand alle Kerzen erloschen und unter rhythmischem Klatschen von Aki ein weißer Tisch mit den Desserts hereingerollt wurde. Zentrum und Höhepunkt war ein riesiger Zuccotto, die Krönung aller Süßspeisen, eine eisgekühlte Kuppeltorte aus der Toskana, für die allein Graziella Stunden verwendet hatte. Aki folgte ein Schwarm hübscher, junger Männer, alle nur leicht bekleidet, die Sternwerfer schwangen.
    Beifall brandete auf. Begeistertes Klatschen und Trampeln.
    Robert legte zart seinen Arm um Lindas Schulter. Wie zufällig ließ er anschließend seine heiße Hand ihren nackten Rücken entlang wandern.
    Sie schauderte. Aber blieb scheinbar unbewegt stehen.
    Â»Exakt der richtige Moment, um sich unbemerkt aus dem Staub zu machen«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Vorausgesetzt natürlich, wir wollen.« Er sah ihr so tief in die Augen, als suche er dort festen, sicheren Grund. »Wollen wir?«
    Sie nickte stumm. Der dicke Kloß in ihrem Hals machte jede andere Antwort unmöglich.
    Draußen war es mild und lau; kein Lüftchen regte sich. Trotzdem gingen sie ziemlich schnell in Richtung Parkplatz. Ohne zu reden. Ohne sich zu berühren. Er machte bei einem schwarzen Golf Cabrio halt, kam auf Lindas Seite herüber, öffnete ihr die Tür, bevor er zum Fahrersitz hinüberging. Sie blieb unschlüssig stehen. Sollte sie wirklich tun, was sie sich vorgenommen hatte?
    Unwillkürlich glitt ihre Hand zur Schlangenkette. Das Gefühl des kühlen, glatten Metalls auf ihrer heißen Haut tat ihr gut. Unsicher und aufgeregt blieb sie trotzdem. Micha, dachte sie, ach, Micha! Ich wusste nicht, dass es so schwierig sein würde.
    Â»Bist du eigentlich auch mit dem Wagen da?«, sagte er plötzlich. »Mein Gott, ich hab’ dich ja nicht einmal danach gefragt!«
    Â»Bin ich nicht«, sagte sie.
    Ob er jetzt überzeugt war, sie habe es darauf abgesehen, von ihm abgeschleppt zu werden? Weil es ja im Grunde genauso war, stieg sie schnell ein.
    Er startete, fuhr rasant aus der Einfahrt. Eine Weile schwiegen sie beide.
    Â»Und wohin jetzt?« fragte Robert, als sie schon auf der Leopoldstraße waren. Die warme Nacht hatte viele Menschen ins Freie gelockt. Die Straßencafés waren gut besucht, beinahe jeder Stuhl besetzt, soviel man

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