Das Prachtstück
im Vorbeifahren sehen konnte. Wieso eigentlich nicht irgendwo hier im Gewimmel einen Cocktail nehmen und die südliche Atmosphäre mit allen Fasern spüren? Linda hatte auf einmal ganz deutlich Babettes Stimme im Ohr und unterlieà es, diesen Vorschlag zu machen. Nein, sie würde nicht kneifen! Nicht, wenn ihr gutes Gefühl sich weiterhin so hartnäckig hielt. »Vielleicht zu dir?«
Er sagte es mit tiefer Stimme und bewusst lässig; trotzdem konnte sie die Spur Anspannung in seiner Stimme genau hören.
»Nein, zu mir nicht.« Sie antwortete so vehement, dass er erstaunt zu ihr herübersah. »Nicht heute Nacht.« Kein Wort über Feli und den freundlichen Babysitter namens Sofie. Das hatte sie sich schon zuvor fest vorgenommen. »Aber vielleicht zu dir?«
Er bremste heftig. Sie schoss nach vorn, hatte zum Glück jedoch den Gurt angelegt.
»Keine so gute Idee, fürchte ich«, sagte er belegt. »Bei mir herrscht ein unglaubliches Chaos. AuÃerdem ist die Wohnung winzig. Im Grunde nur eine Art Appartement mit Kochnische und Dusche. Und ziemlich renovierungsbedürftig.« Er schien sich wieder gefangen zu haben. »Um ehrlich zu sein, benütze ich sie ausschlieÃlich zum Schlafen und Duschen. Und als Kleiderschrank.«
»Dabei dachte ich immer, alle Makler wohnen in besonders prächtigen Behausungen«, sagte Linda und war froh über ihre kluge Voraussicht. Als hätte sie es geahnt! »Wenn sie schon den ganzen Tag mit Immobilien zu tun haben, die sie an den Mann bringen müssen.«
»Schon möglich. Ich jedenfalls nicht. Das Ganze war anfangs als reine Ãbergangslösung gedacht, und dann bin ich einfach nicht mehr weggekommen. Passiert eben manchmal, wenn man ständig den Kopf mit anderen Dingen voll hat.« Sein Lächeln geriet etwas schief.
»Bist du jetzt verstimmt?«
»Ich? Kein bisschen. Kannst du die nächste StraÃe rechts fahren? Und dann links?«
Er tat, was sie verlangt hatte. »Und jetzt?«
»Ein ganzes Stück geradeaus. Den Ring entlang. Ich sage dir, wann wir wieder abbiegen müssen.«
»Wohin wollen wir eigentlich?«
»Wirst du schon sehen. Noch ein bisschen Geduld!«
Sie kannte den Weg genau. Babette hatte es sich nicht nehmen lassen, die ganze Strecke mit ihr abzufahren. »Damit es dann im entscheidenden Moment keine bösen Ãberraschungen gibt, Linda. Eine exakte Planung ist der beste Garant für den gewünschten Erfolg. AuÃerdem war ich mit Leo sehr glücklich dort. Immer! Und dir wird es in seinem Haus ebenfalls gefallen. Vertrau mir, Tochter! Wenigstens einmal. So dumm ist deine Mutter nämlich auch nicht.«
Jetzt allerdings kam ihr das ganze Strategiegerede ungeheuer absurd vor. Das Schicksal herauszufordern, anstatt zu warten, was es mit einem vorhatte â das versuchte sie gerade. Konnte so etwas überhaupt gut gehen?
Sie waren am Ziel. Zwischen hohen, alten Bäumen erhob sich das Haus, zweistöckig, weià gestrichen und fahl im Mondlicht, mit seinen stuckverzierten Fenstern und den geschwungenen Balkonen einem kleinen Jagdschlösschen gar nicht unähnlich. Auf jeden Fall das Passende für eine verliebte, romantische Sommernacht.
Sie stiegen aus, und Robert sagte kein Wort, als Linda den Schlüssel aus der Tasche zog und aufsperrte. Sie machte das Licht nicht an, sondern entzündete die Kerzen, die auf dem Tisch standen.
»Möchtest du etwas trinken?« fragte sie ihn.
»Ja. Gern. WeiÃwein, wenn du hast.«
»Geht Champagner auch zur Not?« Babette hatte ihr eingeschärft, möglichst wenig von ihren Vorgaben abzuweichen. »Mir wäre eher danach.«
»Natürlich.« Er schien wirklich verunsichert. »Was hast du mit mir vor, Linda? Und wem gehört dieses Haus?«
»Einem sehr guten Freund meiner Mutter. Eigentlich will er es bald verkaufen, weil er ohnehin nur noch im Süden lebt. Er wartet auf das richtige Angebot. Vielleicht kannst du dich ja seiner annehmen. Allerdings nicht heute Nacht.« Sie holte die Flasche aus dem Kühlschrank in der kleinen Küche, dazu zwei Gläser. »Musik?«
Ohne seine Antwort abzuwarten, betätigte sie die Anlage. Der zweite Satz von Max Bruchs Violinkonzert ertönte, Lindas Lieblingsstück, egal, ob sie traurig oder fröhlich war. Vor dem Kamin lagen ein paar Kissen; sie lieà sich dort nieder.
Robert hatte inzwischen die Flasche
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