Das Prinzip Selbstverantwortung
seinen festgefügten Struktur- und Integrationsmustern ist nicht zu bewahren. Es ist unter veränderten Bedingungen neu zu entwerfen. Und diese |77| Rekonstruktion muss getragen werden vom Vertrauen in die Ich-Kultur. Nur so sind Selbstverantwortung und Selbstverpflichtung in Gemeinschaften denkbar. Das muss man nicht mit »sozialer Kälte« verwechseln. Es kommt darauf an, den Denkrahmen in den Unternehmen so zu verändern, dass Selbstverantwortung ermutigt wird. Das hat nur wenig mit Rhetorik zu tun. Viel mit Führung.
Das Geheimnis der Motivation
Die modernen Unternehmen sind in keiner Angelegenheit so blind wie in der Frage nach den Antriebskräften der Menschen. Da mag man technische Gewalten entfesseln: hinsichtlich der Quellen subjektiver Kraft herrscht größtes Nichtwissenwollen. Woher kommt leidenschaftliche und anhaltende Energie? Ganz sicher nicht von äußeren Anreizen wie Prämien, Incentives, Boni, Lob und Tadel oder anderen Drogen. Wenn wir solche Stimuli nehmen, mögen wir vorübergehend genug Energie spüren, aber kaum dass die Wirkung nachlässt, fallen wir in unseren früheren Zustand zurück und werden von innerbetrieblichen Rauschmitteln immer abhängiger. Langfristig zerstört es die lebendige Energie in uns. Was auf diese Weise treibt und antreibt, ist auch das, was heraustreibt.
»Commitment ist«, so der Coca-Cola-Manager Robert W. Woodruff, »wenn es dir egal ist, wer die Lorbeeren erntet.« – »Ganz schön blöd«, denkt es jetzt bei manchem, und dennoch meint es etwas Richtiges: Wer handelt, um dafür belohnt (oder mindestens nicht bestraft) zu werden, ist gleichsam nicht »bei sich«, sondern abhängig vom Lob und Tadel anderer und gibt damit anderen Macht über sich. Er liefert sich aus an Zuckerbrot und Peitsche. Wer Arbeit für die Tribüne inszeniert, muss damit rechnen, dass die Daumen nach unten zeigen. Und wer sein Commitment vom Applaus der Umwelt abhängig macht, ist eine arme Socke. Er wird dabei vielleicht alt, aber nie erwachsen.
Wenn Sie jemand motivieren kann, dann kann er Sie auch demotivieren. Dann laden Sie alle möglichen Leute ein, über Ihre Lebensqualität zu bestimmen. Andere haben dann Macht über Sie. |78| Und Ihr Selbstrespekt bleibt auf der Strecke. Es ist daher außerordentlich wichtig, selbst die Verantwortung für die Energie und die Freude an der Arbeit zu übernehmen. Und sich nicht »motivieren« zu lassen. Nur wenn Sie selbst die Verantwortung für Ihre Motivation übernehmen, lassen Sie sich nicht von den Umständen, den Kunden, den Kollegen, kurzum: den anderen, demotivieren.
Jede andere Motivation als die, mit Hingabe zu tun, was Sie gewählt haben, landet mit mechanischer Sicherheit in Frustration, Demotivation und betriebsinternem Drogenhandel. In mehr oder minder großem Umfang hat jeder solche sachfremden Motive. Sie jedoch zu verstärken kann weder in Ihrem noch im Interesse des Unternehmens sein. Schon mittelfristig sinkt die Leistungsbereitschaft. Der Motivationsfaktor »Angst« (vor dem Verlust der Prämie, der Anerkennung, der Karrierechancen, des Arbeitsplatzes) wirft seinen bleichen Schatten. So lassen sich allenfalls Galeeren kommandieren.
Energie, dynamische Kraft und Intensität sind mithin nur als »eigenwillige« Handlung denkbar, niemals als abgeleitete, fremdoder außengesteuerte, angereizte Handlung. Wo erlebte Wahl-Freiheit ist, da ist Energie.
Der eine oder andere von Ihnen wird sich vielleicht noch leise an den Energie-Erhaltungssatz aus dem Physikunterricht erinnern. Er besagt, dass die Summe aller Energien konstant bleibt, also Energie weder aus dem Nichts entstehen noch ins Nichts vergehen kann. Energie kann nur umgewandelt werden. Seit der Quantentheorie ziehen viele Forscher daher den Begriff der »Wechselwirkung« dem Begriff der Energie vor. Und genau diese Wechselwirkung passiert am Arbeitsplatz, ja in jeder Lebenssituation. Tun Sie etwas mit Liebe und Hingabe, erleben Sie dadurch Glück und Zufriedenheit
im selben Maße
. Sie können natürlich Ihre Aufgaben auch mit halber Energie erledigen; das Ergebnis wird entsprechend sein: halbherzige Ergebnisse, Freudlosigkeit, Mittelmaß. Das ist das Geheimnis der Motivation:
Sie erhalten das vom Leben zurück,
was Sie selbst in jedem Augenblick hineingeben.
|79| Die Beatles texteten auf ihrem legendären White Album: »All the love you take is equal to the love you make.« Es ist leicht, das als naive Flower-Power-Romantik abzutun; was es sagt, ist: Wir sind
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