Das Prinzip Selbstverantwortung
verantwortlich für alles Glück – auch alles berufliche Glück –, das uns in dieser Welt »widerfährt« (wie unverantwortlich doch unsere Sprache ist). Wir sind unsere eigenen Resonanzkörper. Nur das, was wir geben, erhalten wir zurück.
Arbeiten, um zu leben?
Wann spüren wir diese Energie? Wenn wir uns beim Einschlafen freuen, dass wir am nächsten Morgen weitermachen dürfen. Und wenn wir dieses Gefühl nicht für das Hobby reservieren, sondern für unsere ganze Lebenszeit. Denn etwas aufzuteilen in das, was ist, und das, was sein sollte, ist die trügerischste Weise, sein Leben zu leben.
Aber genau dies tun viele. »Arbeiten Sie, um zu leben, oder leben Sie, um zu arbeiten?« Im Kampf zwischen Theke und Stammtisch um die geistige Lufthoheit wird diese Frage meist barsch zur Seite gewischt: »Ist doch klar: Ich arbeite, um zu leben.« Wenn man genauer hinschaut, wird meist deutlich, dass die Arbeitszeit als fremdgesteuerte Zeit, nicht selten als »abgekauftes Leben« empfunden wird. (Diese Atmosphäre lebt noch in der Personaler-Sprache weiter: bei der Vergütungspolitik sprechen sie von »Entschädigung« oder auf neudeutsch »compensation«; die Volkswirtschaftslehre kennt noch den Begriff des »Arbeitsleids«.) Die Energien werden dann am Unternehmen vorbei in die Privatsphäre investiert. Das vertrackte »um zu« wird mentalitätsbestimmend: arbeiten, um – danach – zu leben.
Ist das praktisch? Es ist extrem unpraktisch! Stellen Sie sich vor, wie viel Lebenszeit Sie an Ihrem Arbeitsplatz verbringen. Wer hier die Lust verloren hat, der ist verloren. Wenn Sie Ihren Job nur mit 60 Prozent Ihrer Energie machen, betrügen Sie sich selbst um gelebtes Leben. Wenn Sie an Ihrem Schreibtisch sitzen und von Hawaii träumen, sind Sie weder an Ihrem Schreibtisch noch auf Hawaii. Sie werden krank oder destruktiv, oder beides. Sie tun
für
|80|
sich
das Beste, wenn Sie Ihr Bestes geben. Dann sind Sie nicht mehr Arbeitnehmer, sondern Arbeitgeber.
Disziplin – Konzentration – Initiative
Energie beinhaltet auch Eigenschaften, die am postmodernen Wertehimmel fast Feindseligkeit provozieren: Disziplin und Konzentration. Ein Mensch auf einem Berggipfel ist nicht dahin gefallen. Ohne Selbstdisziplin ist kein Problem lösbar. Sie ist notwendig für alle Arten des Lernens und Wachsens. Menuhin sagte einmal: »Wenn ich einen Tag nicht übe, merke ich den Unterschied. Wenn ich zwei Tage nicht übe, merken es meine Freunde. Wenn ich drei Tage nicht übe, spricht das Publikum darüber.« Ein alter Zen-Koan sagt: Ein Meister ist, der übt.
Freude – das ist etwas anderes als flüchtiges Vergnügen! – wird nur als Folge hoher Aufmerksamkeit erlebbar und ist nach Auffassung Elisabeth Noelle-Neumanns (selten, dass ich ihr zustimme) niemals das Resultat treulos schweifender Animation, niemals die Beliebigkeit des Genusses, immer ist sie richtungsgleich mit Sich-Anstrengen, Schwierigkeiten-Überwinden, Hindernisse-Beseitigen: »Glück gewinnt man nur durch das Wachstum von Kräften.«
Das lernende Unternehmen muss, wenn es funktionieren soll, eine disziplinierte (und keine disziplinierende) Organisation sein. Alle Entscheidungen, Probleme, Konflikte sind Wachstumschancen. Aber sie sind mit Schmerz, mit Verzicht verbunden. Das englische Wort »decision« – Entscheidung – kommt vom lateinischen »caedere«, was »abschneiden« bedeutet. Entscheidung schließt immer auch Opfer und Verzicht ein. Die Neigung, Problemen und den ihnen innewohnenden Leiden auszuweichen, ist die Hauptursache der Neurosen in unseren Unternehmen. Was das so schwierig macht, ist die Illusion, es müsse leicht gehen, ohne Schmerz: der ideale Arbeitsplatz, der ideale Chef, das ideale Unternehmen, die idealen Mitarbeiter warteten auf uns. Es ist manchmal schwierig, Vereinbarungen einzuhalten. Es ist manchmal |81| schwierig, sich an Spielregeln im Unternehmen zu halten, insbesondere in Zeiten, in denen das Brechen von Spielregeln für Autonomie gehalten wird. Herausforderungen und Schwierigkeiten, Gewohnheiten und Überlebtes aufgeben, alte Denk- und Verhaltensmuster ablegen, offen sein für den Wandel: alles das wird von vielen als unangenehm empfunden – und gemieden.
Schauen wir in die militärische Traditionsvitrine, so finden wir dort Clausewitz, den auch von Hardlinern immer wieder gern Zitierten: Beim Blitzschach um Leben und Tod gehe es darum, die eigenen Kräfte am richtigen Punkt zu konzentrieren. Im »Nebel einer mehr oder weniger
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