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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Mängel zu ertragen, ist größer als die Bereitschaft, Mängel abzustellen. Er bleibt passiv, weil er das Anstehende meidet; und er ist abhängig, weil er die Droge Arbeit zur Ablenkung braucht – aber eben nicht wirklich wählt in bewusster Entscheidung gegen die alternative Möglichkeit. Und es ist ein Irrtum zu glauben, aus solchem operativen Aktionismus entstünde für das Unternehmen etwas Gutes. Vielleicht sollte man im Süchtigen den freien Selbstzerstörer respektieren.
    In Wirtschaftsmagazinen ist immer wieder von Industriekapitänen zu lesen, die 80 Wochenstunden arbeiten. In grotesker Selbstkasteiung erklären sie stolz, sie hätten in den letzten Jahren kaum Urlaub machen können. Überall respektvolle Mienen. Über soviel eitel-inszenierte Wichtigkeit. Aber da ist oft mehr Hitze als Licht. Und ich kenne Manager, die das Commitment ihrer Mitarbeiter an den Überstunden oder der Bereitschaft zur Wochenendarbeit glauben ablesen zu können. Lässt man die altbackenfrühindustrielle Orientierung (lat. »industria« = Fleiß) an rein quantitativen Maßstäben mal zur Seite, dann sagt meine Erfahrung etwas anderes: Die weitaus besten Führungskräfte, die ich kennen lernen durfte, führen ein balanciertes Leben. Ein Leben, in dem auch Muße eine wichtige Rolle spielt. Dies mit Blick auf die Tatsache, dass sie auch in fünfzehn Jahren noch einen guten Job für das Unternehmen leisten wollen. Die Anwesenheitsliste ist keine Messlatte für Commitment.
    Zum Commitment gehört auch, sich zu erlauben, dass diese Energie schwankt. Wie alle Stromspannung, so schwankt auch unsere Lebensenergie von Zeit zu Zeit. Niemand kann acht Stunden am Tag in gleicher Intensität hochkonzentriert arbeiten. Auch einmal keine Lust zu haben gehört dazu. Es ist wichtig, dies als menschlich (was man ja heute kaum noch ohne die verzeihend milde Abfälligkeit aussprechen kann) anzuerkennen. Ein längeres Absinken des Energieniveaus ist sogar ein nützliches Warnsignal: |93| möglicherweise ein Zeichen für anstehende Änderungen. Es gibt eine kreative Lebenseinstellung, die das energetische Auf und Ab des Lebens bejaht und nicht zum ewigen Obenbleiben pervertiert. Auch das ist Commitment: bei sich bleiben, achtsam sein, in sich hineinspüren, Überforderung erkennen und mit ihr umgehen lernen, Zeichen der Erschöpfung nicht ignorieren. Nur der kann voll bei der Sache sein, der sich auch voll von ihr lösen kann. Was fertig macht, ist das Laue.
    Die Kraft des Willens
    L. H. Farber hat in seinem anregenden Buch »The Ways of the Will« den Willen als den eigentlichen »verantwortlichen Beweger« beschrieben. Und für Rollo May besteht eine enge Verbindung zwischen Willen und Identität: »›Ich‹ ist das ›Ich‹ des ›Ich kann‹. … ›Ich kann‹ und ›Ich will‹ stellen die wesentliche Erfahrung der Identität dar.« Wenn aber von Selbstverwirklichung gesprochen wird, ist damit oft eine krause Mischung aus Hedonismus und Erfolgsgier gemeint. Die wahre Selbstverwirklichung jedoch ist die Ersetzung von »Ich soll« durch »Ich will«.
    Commitment im Beruf heißt dann: Ich kann, weil ich weiß, was ich will. Die Arbeit wird nicht nur getan, sie ist auch gewollt.
Wir
müssen wollen, was wir tun.
    Jede Arbeit ist ein Selbstporträt, von Ihnen signiert.

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Antworten
    So wie Sie sind, so ist das Unternehmen.
    Worum es in diesem Kapitel geht, verdeutlicht am besten eine Geschichte, die in abgewandelter Form Bernard Benson erzählt hat, ein Höhlengleichnis, 2300 Jahre nach Platon:

    Ein wissbegieriger junger Mensch suchte eines Tages einen alten
Einsiedler auf, der – wie man sagte – auf alle Fragen eine Antwort
wusste. »Ich möchte gerne wissen: Was ist richtig und falsch, schön
und hässlich, gut und böse?« Der alte Mann schaute eine Weile in
die Flammen seines Feuers. »Hinter mir liegt der Eingang einer
Höhle«, antwortete er schließlich, »dort kannst du hineingehen
und die Wahrheit finden. Nimm diese Laterne, und du wirst es
sehen.«
    Neugierig ging der junge Mensch in die Höhle hinein. Sie
erschien ihm ganz grau, kalt und gespenstisch. Je weiter er ging,
desto düsterer spielten die Schatten an der Wand. Schließlich blieb
er stehen und sagte zu sich: »Das kann nicht sein. Es müssen doch
sehr schöne Dinge in dieser Höhle zu sehen sein.«
    Da entdeckte er plötzlich kleine Seen im Gestein, Wasserfälle,
Kristalle, Farben. »Das ist mein Licht!« dachte er. »Was ich um
mich herum sehe, hängt ganz allein von mir

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