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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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an die Jahresprämie, an den Monatsabschluss oder das Quartalsergebnis. Ich denke nur an diesen |90| Kunden, der da vor mir sitzt und der jetzt der wichtigste Gesprächspartner meines Lebens ist.« Jede andere Einstellung schwächt.
    Vor einigen Jahren hatte ich Gelegenheit, einige Wochen mit Hopi-Indianern zu verbringen. Eines Mittags übernahm ich die Aufgabe, für die gesamte Großfamilie Kartoffeln zu schälen. Ich muss dabei wohl nicht besonders glücklich ausgesehen haben – jedenfalls beugte sich eine ältere Indianerin über meine Schulter, wies auf Kartoffel und Messer in meinen Händen und sagte: »Get into it.«
    Entschiedenheit
    Mit zunehmender kultureller Komplexität steigen auch die Wahlmöglichkeiten, was aber oft keineswegs als gestaltbare Freiheit, sondern als Unsicherheit, als innere Zerrissenheit angesichts vielfältiger Anknüpfungsmöglichkeiten, gar als Quelle lähmender Orientierungslosigkeit erlebt wird. Die Äpfel in Nachbars Garten …, das eigentliche Leben findet woanders statt …, warum nicht ganz etwas anderes machen …, beim nächsten Job wird alles anders … – es sind so viele Interessen, die im inneren Monolog rivalisieren, dass es schwerfällt, klar Prioritäten zu setzen. Je mehr Wahlmöglichkeiten, desto wichtiger ist Entschiedenheit – jeder, der sich mal einen Abend lang durch die verschiedenen TV-Kanäle gezappt hat, kennt das unbefriedigende Gefühl mangelnder Entschiedenheit.
    Es ist hilfreich, sich von Zeit zu Zeit zu fragen: Was will ich
wirklich
tun? Bin ich auf dem richtigen Spielfeld? Leiste ich einen echten Beitrag? Mache ich einen Unterschied durch meine Arbeit? Ein Mitarbeiter eines mittelständischen Textilherstellers, der qua eigener Entscheidung seine Führungsaufgabe abgegeben hatte und dadurch bei einigen Kollegen auf Unverständnis, bei vielen aber auch auf heimliche Zustimmung stieß, schildert sein Dilemma und seine Wahl: »Ich hatte ja eine tolle Position, einen sehr kooperativen Chef, wirklich nette und leistungsfähige Mitarbeiter. Ich wurde gut bezahlt und sollte sogar noch befördert werden. |91| Aber mit der Zeit merkte ich, dass mir etwas fehlte: das ruhige und konzentrierte Arbeiten an Sachproblemen, das Austüfteln von Systemlösungen, das, was ich mal gelernt hatte. Dafür war keine Zeit mehr übrig. Und immer mehr wurde mir klar, dass das für mich das wichtigste war. Oft habe ich versucht, mir meine Arbeit schönzureden. Aber irgendwann habe ich mich dann doch entschieden: gegen die Führungsaufgabe und für meine Sache.«
    Meine
Sache – es ist diese Ent-Schiedenheit, die den Unter-Schied macht. Diese Führungskraft hat gespürt, dass die Führungsaufgabe oder gar die Beförderung ihr mehr Stress bringt, als sie ihr eigentlich wert ist. Was auch immer dem einen wichtig sein mag, was auch immer ein anderer für völlig nebensächlich hält: »Ich habe mich entschieden, also geht es da lang.« Das ist die Formel, die den Anspruchsnebel klärt und den inneren Konflikt zugunsten eindeutiger Priorität löst. Es ist wichtig zu wissen, dass wir unseren Weg selbst gewählt haben und dass unser Glück nun in unseren Händen liegt. Ohne Wählen ist das Wollen richtungslos; ohne Wollen ist das Wählen kraftlos.
    Mit aller Energie hinter einem Entschluss stehen – wer könnte bestreiten, dass das der Königsweg zum Erfolg ist? Negativ gewendet: Der einzige Grund, wieso Sie möglicherweise in dieser Arbeit nicht erfolgreich sind, ist, dass Sie sie nicht mit Liebe und Hingabe tun. Sondern weil Sie sie tun, um Ihrem Chef zu gefallen, um die nächste Karrierestufe zu erklimmen, um den nächsten Urlaub buchen zu können, um sich später auf den Lotosblüten der Pensionierung ausruhen zu können, um den Erwartungen Ihrer Eltern und Freunde zu entsprechen, um die Autostrada Ihrer ehelichen Langeweile erträglicher zu gestalten, um zu …, Mittel zum Zweck …, später! Später!
    Workaholics
    Das alles ist nicht zu verwechseln mit Arbeitssucht. Der Workaholic wählt nicht bewusst die Arbeit. Sondern die Arbeit ihn. Er ist wieder nicht verantwortlich – weil er der Aufgabe unbefragten, gleichsam überindividuellen und mithin totalitären Wert zumisst. |92| Die heitere Gelassenheit als Synthese zwischen Depression und Erregung ist ihm fremd. Er arbeitet zwanghaft. In der Regel, um etwas zu vermeiden. Er arbeitet ersatzweise, um nicht einem anderen drängenden Problem ins Auge sehen zu müssen. Wie immer, so gilt auch hier: Die Fähigkeit der Menschen,

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