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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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mein Urteil; es ist nicht berufen, über mich zu bestimmen, sondern ich bin es, der seine Ansprüche auf Anerkennung festzusetzen hat.« Die Welt ist kein Uni-Versum, vielmehr: ein Multi-Versum.
    Es ist daher unsinnig, von »verzerrter« Wahrnehmung zu reden. Ebenso gibt es auch keine Wahrnehmungs-»Fehler«, wie uns die Kommunikationspsychologie glauben machen will. Wahrnehmung ist Konstruktion und Interpretation. (Jeder, der die leidvolle Geschichte der Zensierung von Deutschaufsätzen erlitten hat, kann ein Lied davon singen.) Wahrheit ist eine Frage der
individuellen Perspektive
, der Bedeutungszuweisung. Und Perspektiven sind so verschieden wie Schneekristalle.
    Noch einmal: Unsere »Antwort« auf die Ereignisse und Phänomene der Außenwelt ist individuell unterschiedlich durch Erfahrung geprägt. Was Sie wahrnehmen, nehmen Sie für wahr. Sie können ja nichts »falschnehmen«. Und es sind ja immer nur die anderen, die behaupten, man sähe etwas nicht richtig. Aber was immer Sie auch sagen:
    Sie haben recht. Das kleine Problem ist: der andere auch.
    Was nützen mir diese Gedanken für meinen Alltag im Unternehmen? Sehr viel! Nehmen Sie diese Perspektive ernst, so ergeben sich daraus für die Unternehmen grundstürzende Neuorientierungen. Die Frage ist jetzt: Wie sieht ein Unternehmen aus, wenn die entscheidenden Denkkategorien nicht Wahrheit und Objektivität sind, sondern Brauchbarkeit und Nützlichkeit?
    |98| Das Unternehmen im Kopf
    Welt ist immer Welt im Kopf. Und die ist nicht nur von unserer Erfahrung abhängig, sondern auch von unseren Interessen, die unsere Aufmerksamkeit steuern. Wenn Sie gerade ein bestimmtes Auto in einer bestimmten Farbe gekauft haben: plötzlich sind alle Straßen voll von diesem bestimmten Auto in dieser bestimmten Farbe.
    Auch das Unternehmen ist immer das Unternehmen im Kopf. So scheint es zwar für jeden Manager klar zu sein, was ein Unternehmen »ist« und wie es sich von anderen Organisationen unterscheidet. Unbestreitbar ist aber auch, dass jeder Manager ein anderes Unternehmen »sieht«, Unterschiedliches für wichtig hält und so »sein« Unternehmen je nach Perspektive anders »baut«. Das Unternehmen ist, so wie Sie es
erleben
. Es ist eine Projektion Ihrer Innenwelt. Jeder macht sich gewissermaßen eine andere Landkarte vom Unternehmen. Diese Landkarte ist aber nicht mit dem Unternehmen zu verwechseln. Das »gibt« es nämlich eigentlich gar nicht. Nur in den Köpfen der Beteiligten.
    Heinz Pechek, Direktor des Österreichischen Produktivitäts und Wirtschaftlichkeitszentrums ÖPWZ: »Unternehmer sagen immer wieder, dass sie ›engagierte, eigenverantwortliche, unternehmerisch mitdenkende Mitarbeiter‹ wollen. Vielfach versteht der Unternehmer darunter, der andere müsse so denken wie er selbst. Er erwartet von den Mitarbeitern, dass sie so denken, so entscheiden, so handeln wie er, eben ›unternehmerisch‹. Das ist in der Praxis nicht realisierbar, weil jeder die Dinge aus seiner eigenen Sicht sieht.«
    Ein anderes Beispiel: Das Organigramm eines Unternehmens zeigt zwar, wer der Boss ist und wer wem hierarchisch untersteht. Es schweigt sich aber völlig darüber aus, was für den einzelnen und damit für den Unternehmenserfolg wirklich wichtig ist: Wer sich mit wem bei der Lösung alltäglicher Probleme berät (Beratungsnetz); wer mit wem vertrauliche Gespräche führt und delikate geschäftspolitische Informationen austauscht (Vertrauensnetz); wer mit wem gerne und erfolgreich kooperiert (Kooperationsnetz). Diese verborgenen Strukturen hinter dem offiziellen |99| Organisationsplan – D. Krackhardt und J. Hanson haben sie beschrieben – sind informelle Netze, die nirgendwo fixiert sind, die aber von den Mitarbeitern
erlebt
werden und die damit über die Produktivität der Organisationsstruktur entscheiden.
    Sie machen als Betrachter fortwährend Unterschiede, indem Sie in Gedanken bestimmte Verhaltensweisen unter bestimmte Begriffe zusammenbinden. Denken Sie als Führungskraft an die Gruppe Ihrer Mitarbeiter, so bildet sich in Ihrem Kopf ein System. Vielleicht unterscheiden Sie zwischen »guten« und »schlechten« Mitarbeitern, zwischen »Bremsern« und »Heizern«, vielleicht auch zwischen »jungen« und »alten«, zwischen Männern und Frauen, zwischen Spezialisten und Generalisten. Diese Unterscheidungen hängen von Ihren Werten und Interessen ab. Je nachdem, was Sie für wichtig halten, werden Sie ein anderes Bild im Kopf entwickeln. Keines davon ist besser

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