Das Prinzip Selbstverantwortung
Andernfalls restaurieren Sie lediglich Ihr inneres Museum. Es sieht aus wie Selbstbestimmung. Aber es ist radikale Fremdbestimmung. Sie können sich jederzeit neu entscheiden, Ihre Glaubensätze wieder zu wählen oder zu ergänzen. Für Führung ist dies unabdingbar:
Nur wer sich selbst begegnet, kann
anderen begegnen.
»Ich weiß, wer ich war, wer ich bin und wo ich sein möchte«, sagt Dan Kaplan, der Präsident der Hertz Equipment Rental Corporation, »mit anderen Worten: Ich kenne das |108| Maß an Verpflichtung, das ich bereit bin einzugehen, und auch
warum
ich bereit bin, es einzugehen.« Auch hier wieder gilt:
Derjenige kommt am weitesten, der bei sich selber bleibt.
Das gilt auch für Ihr individuelles Lebens-Drehbuch: Ihre Vergangenheit – es
gibt
sie nicht. Sie ist eine Erfindung. Auch sie existiert nur in Ihrem Kopf. Sie erzählen sich und anderen Geschichten darüber. (Deshalb beneidet Gott die Historiker: die können die Geschichten ständig neu schreiben.) Sie haben sich entschlossen, bestimmte Sachverhalte so und nicht anders zu beurteilen. Oft zu ver-urteilen. Sie verantworten diese Interpretation. Sie können die Dinge so sehen. Aber Sie müssen sie nicht so sehen. Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit.
»Der Schlüssel zu erfolgreichem Führen ist Selbst-Aufmerksamkeit«, schreibt James Autry, Geschäftsführer eines amerikanischen Zeitschriftenverlags, und diese Aussage – schon immer gültig – wird durch die rapide Globalisierung der Wirtschaft noch einmal dynamisiert. Stichwort: multikulturelle Kompetenz. Allein die zunehmende Internationalisierung der Mitarbeiter-Zusammensetzung in den Betrieben (führend: die Schweiz – jeder dritte ist Ausländer), die Zunahme multikultureller Schnittstellen, die vielen internationalen Teams: kulturelle und sprachliche Hürden erzwingen förmlich die Einsicht in die eigenen Werte und den Respekt vor den unterschiedlichen Wertvorstellungen. Wenn ein »expatriate« seinen Gesprächspartner durch die Hornbrille eigener Stereotypen betrachtet, wird er sich – zum Nachteil seiner Interessen – unangemessen und erfolglos verhalten. Daher erfordert multikulturelle Kompetenz nicht nur herablassende Toleranz gegenüber einem ansonsten als minderwertig erlebten Wertekanon, sondern Neugier und Offenheit für Neues – ebenso aber Flexibilität gegenüber den eigenen Werten. Das zielt auf Persönlichkeitsentwicklung statt auf Rezeptlisten. Die z. B. für die »Expats« des Schweizerischen Bankvereins durchgeführten Seminare haben gerade im Bereich »Teamarbeit« die Bedeutung einer über die Toleranz hinausgehenden Offenheit immer wieder bestätigt.
|109| Objektiv subjektiv
Die Behauptung von »Objektivität« und »Wahrheit« ist richtungsgleich mit den Totalitarismen der gesellschaftlichen Großversuche des 20. Jahrhunderts. Sie waren gegründet auf mechanistischen Denkmodellen, deren Zwangscharakter dem einzelnen jede Handlungsfreiheit absprach. Er konnte daher auch keine Verantwortung übernehmen. Es liegt auf der Hand, dass solche Modelle mit den hier vorgeschlagenen Denkfiguren unvereinbar sind.
Zum Beispiel die Ethik-Diskussion in den und um die Unternehmen: Von moralischen Gefühlen be-mächtigt, fühlen sich manche durch ihr empörtes Gewissen er-mächtigt, ihre Vernunft zu ent-mächtigen. Wer schon einmal dem Tugendterror einer heilsgewissen moralischen Empörung ausgesetzt war, weiß, wovon ich rede. Gegen die Aggressionen einer selbstermächtigten Gewissenselite hilft nur das Recht, das auch der Moral erst den Freiraum sichert. An das Recht haben sich sowohl der heilige Zorn moralischer Gesinnung wie die laue und dickfellige Gewissenslosigkeit zu halten. Hubert Markl ist zuzustimmen: »Wichtiger als die Erziehung zum Absolutismus des Gewissens ist die Erziehung zum Respekt vor unserer Rechtsordnung.«
Auch die »herrschende Meinung« beweist in keiner Weise irgend etwas. Ebenso wenig die so genannte »wissenschaftliche« Erkenntnis: nichts als das große Ungefähr. »Wissenschaft denkt nicht«, sagt Heidegger und meint damit, dass sie auf Grundannahmen beruht, die sie nicht in Frage stellt, auf denen sie aber widerspruchsfrei aufbaut. Sie ist ein Weg, die Wirklichkeit sinnvoll zu konstruieren, ein Weg, der danach beurteilt werden muss, ob er gangbar und nützlich ist – und nicht, ob er objektiv oder wahr ist.
Das gesamte innerbetriebliche Geschehen geht jedoch nach wie vor davon aus, dass es objektive Tatsachen und Maßstäbe
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