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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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auch
bleiben
. Vorbilder sorgen dafür, dass andere immer hinterherrennen. Sie werden alles tun, damit der Abstand zwischen ihnen und ihren Mitarbeitern auch fachlich respektvoll bleibt. Ihr Weiterbildungsaktionismus
hat
einen Zweck: den Mitarbeiter zu distanzieren. Diese Chefs werden alles tun, um die Entwicklung ihrer Mitarbeiter zu
verhindern
!
    Um ein konkretes Beispiel zu nennen: In einer Vorbild-Kultur liegt die Verbesserungsidee des Mitarbeiters in gefährlicher Nähe der Majestätsbeleidigung. Das betriebliche Vorschlagswesen (eine organisationspsychologische Sumpfblüte aus der Zeit der Frühindustrialisierung) wird letztlich immer an diesem Widerspruch scheitern. Denn die selbstinszenierte Tüchtigkeitsarroganz bewacht hochsensibel ihre Fachautorität.
    Personalabwickler
    Der Chefkoch unter den Führungskräften (»Hier kocht der Chef selbst!«) bezieht seine Existenzberechtigung dabei häufig genug aus der Schwäche seiner Mitarbeiter. Er ist daher gar nicht daran interessiert, seine Mitarbeiter zu entwickeln. Er wird sich nach |142| alter Feldherrenideologie ins Zentrum aller Energielinien stellen und die Mitarbeiterpotenziale seiner Gruppe nicht oder nur unteroptimal entwickeln. Und damit entstellt sich die führungsgrundsätzliche Forderung nach dem Vorbild geradezu als
Negation
der Personalentwicklung
, als ihr fundamentaler Widerspruch. Sie ist gleichbedeutend mit der Forderung nach ihrer Abschaffung.
    In die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter investieren? Gefahr im Verzug! Exakt aus der Vorbildmentalität vieler Vorgesetzter erklärt sich das verbreitete Zögern gegenüber einer Personalentwicklung, die wirklich etwas bewegen will. Wie soll das auch zusammengehen: partnerschaftliche Netzwerke und Vorbild? Wie soll das passen: vorbild-hörige Mitarbeiter und Intrapreneurship? Deutlich wird: Das Vorbild-Geraune ist eines der verdeckt-wirksamsten, weil unerkannten Hindernisse auf dem Weg zur lernenden Organisation. Mit einer solchen Verschwendung von Leistungskraft wird sich die Zukunft kaum ertragreich bewältigen lassen.
    Was bleibt? Wenigstens Führungskräfte als menschliches Vorbild? Das ist schlicht Anmaßung. Mit welchem Recht macht sich jemand zum menschlichen Vorbild für andere? Weil man Führungskraft ist? Dann wird es ja nur noch lächerlich.
    Selbst-Aufgabe
    Es gibt allerdings nicht wenige Führungskräfte, die sich bis zur Selbstaufgabe melken, um als Vorbild dazustehen. Ja, es ist eine wortwörtliche Form der »Selbst«-Aufgabe – man will ja dem Vor-Bild gerecht werden. Überanstrengung ist der Mindesteinsatz. Ein Vorbild zeigt keine Schwäche. Es ist
immer
Vorbild. Menschliche Regung? Enttäuschung? Unsicherheit? Geschwätz! Statt dessen: Symbolisches Handeln für die Tribüne. Eine Präsentationskultur gelungener Selbstverhärtung, in der etwas nicht getan wird, weil es für richtig und wichtig gehalten wird, sondern weil es anderen gefallen, mithin als vorbildlich gelten könnte. Vorbild sein heißt lügen.
    |143| Wie der Weise sagt:
Jede Investition in das Image ist eine Investition
in das eigene Gefängnis.
Das selbstgeschaffene Vorbild soll zwar schmücken, normativ gelten – und legt doch selbst fest, wirkt normativ auch nach innen, auf den Investor zurück. Das Vorbild-Handeln verlangt von der Führungskraft ein hohes Maß an Selbstverleugnung unter dem dauernden Anpassungsdruck. Es ist ja anstrengend, sein berufliches Leben einem Stildiktat zu unterwerfen. Die antrainierten Verhaltenspartituren gehen oft bis zur Perversion dessen, was man persönliche Identität nennt. Da nimmt es nicht wunder, dass diese Helden ständig in der selbstgesuchten Gefahr schweben, vom Sog der Selbstüberforderung verschlungen zu werden. Oft zahlt der Aufsteiger einen gesundheitlichen, in der Regel aber einen charakterlichen Tribut. (Stellen Sie sich vor, Sie müssen über Jahre Dinge tun, von denen Sie nicht überzeugt sind; andererseits jahrzehntelang Verhalten unterdrücken, das zu Ihnen passt!) Den unterstellten Prestigegewinn erkauft er mit der Einengung seiner Handlungsspielräume, letztlich mit Verlust an Freiheit.
    Wer sich derart exhibitionistisch auslaugt, beim Exempel, das er statuiert, die Beschämung und den Nacheifernsdruck berechnet: erleidet der ein Martyrium? Nein, er inszeniert es, sagt Nietzsche, und damit bekommt es – etwas Unseriöses. Dort, wo man Wahrhaftiges und Reines vermutet, sind Hintergedanken im Spiel, werden Effekte kalkuliert. Selbstauszehrung, um andere

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