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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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Menschen unterstützt weiß – und seien es noch so wenige. So wie eine auf Selbstverantwortung gebaute Unternehmenskultur ohne den Einsatz vieler Einzelner nicht zu haben ist, so bedarf auch der Einzelne der Ermutigung: eines Rahmens, der Erfolg und Solidarität wahrscheinlich macht.
    |136| Die Führungskraft ist aufgrund ihrer hierarchischen Stellung zuallererst aufgerufen, diese Voraussetzungen zu schaffen: die Bedingungen der Möglichkeit von Selbstverantwortung.
Bedingungen der
Möglichkeit
– das ist keine gezierte Bescheidenheit, sondern die Einsicht, dass Selbstverantwortung weder abrufbar noch irgendwie »machbar« ist. Letztlich bleibt sie immer Initiative und verantwortliches Handeln des Einzelnen.
    Wenn Sie Führungskraft sind, fragen Sie sich selbst: Ermutigen Sie zu Mut und Zivilcourage? Oder dümpeln Sie lieber im Flachwasser der Anpassung?

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Abschied vom Leithammel
    Wer immer in die Fußstapfen anderer tritt,
hinterlässt keine Eindrücke.
    Das wird vorgeschlagen: Unternehmer an die Front! Wir brauchen Entrepreneure! Vorbilder! Henkel! Grundig! Neckermann! Nixdorf! Die Unternehmen artikulieren Traditionsbedarf. Sie entstauben die mental-historischen Dachböden nach wegweisenden Urahnen, Gründervätern, traditions- und haltvermittelnden Vor-Denkern, Vor-Machern. Das alarmistische Krisengerede beschwört wieder Schumpeters »kreativen Zerstörer«. Das
manager
magazin
weiht – nach dem Muster der amerikanischen
Fortune
– seitenweise eine »Business Hall of Fame« ein. Allseits ist die Renaissance des »great man« zu spüren, die Wiederauferstehung der neokonservativen Denkfigur des »Man-hat’s-oderman-hat’s-halt-nicht«. Mitarbeiterorientierung? Schnee von gestern. Der Schnee von heute heißt: Charisma. Persönlichkeit. Ausstrahlung. Der Rückgriff auf
Vorbilder
, der vereinfachende Personifizierungsdrang: Wenn es überhaupt einen gemeinsamen Orgelton der Wirtschaftspublizistik gibt, dann ist es der Appell an die Vorbildfunktion der Führungskräfte, die insbesondere die Kluft zwischen leitbild-erwünschten Verhaltensformen und real existierendem Sozialdesaster überbrücken soll. Führungskräfte als Vorbilder: Es gibt kaum einen geeigneteren Gegenstand, um |138| den notwendigen Paradigmenwechsel in einem Unternehmen zu verdeutlichen, das um das Prinzip Selbstverantwortung herum gebaut ist.
    Maskuline Muskelspielerei
    Historisch gesehen entstammt das Vorbild-Postulat einer Zeit klarer hierarchischer Zu- und Unterordnung, wo man noch »Untergebener« sagte (und das auch so meinte), typisch für patriarchalische Strukturen, militaristische Grundmuster (Augen zu und durch! Ran wie Blücher!). Es ist richtungsgleich mit dem Wunsch nach Hierarchie, Autorität und elitärem Denken. Denn das Vorbild wächst analog zum Einschüchterungswert. Es ist damit zweifellos ein Relikt aus der Unternehmenskultur eiserner Sekundärtugenden, die für die Generation der vor 1945 Geborenen verpflichtend waren.
    Konsequent ist »Vorbild sein« eine ausgesprochen männlich assoziierte Denkfigur (wie auch der Größenwahn bei Frauen viel seltener vorkommt als bei Männern). Auf gewisse Weise erscheint die Vorbild-Idee so als der Gegenentwurf gegen das Individuelle und Spontane, das die weiblich vorgestellte Ursprungsmacht in der griechischen Mythologie verkörpert. Denn das Vorbildliche ist nicht das Individuelle, sondern das vereinfachend Verallgemeinerbare. Die Personifizierung eines Prinzips. Und trotz begreiflicher feministischer Einwände bleibt einstweilen gültig, dass dieser beispielhafte Mensch ein Mann ist.
    Führungsgrundsätze: vorbildlich
    Ja, »Vorbilder« sollen sie wieder sein, unsere Führungskräfte, mehr denn je. Modelle von Tugend, Moral und Werten. Günter Mordhorst, Vorstandsvorsitzender der Varta AG, stellvertretend für viele: »Autorität sollte … aus dem persönlichen Vorbild des Führenden abgeleitet werden.« Hat man diese Persönlichkeitsriesen nicht zur Hand, werden künstliche geschaffen: Führungsgrundsätze |139| als Hochglanz-Ersatz-Vorbild. Auch der peinlich-obszöne »Mitarbeiter des Monats« – den sozialistischen Stachanow-Miezen und »Helden der Arbeit« entlehnt – gehört hierher. Der dort für mustergültig ausgewiesene Wertekanon spiegelt im Regelfall die Karriereerfahrungen des Topmanagements wider (bildet insofern Vergangenheit ab) oder ergießt sich in Platitüden des so genannten gesunden Menschenverstandes. Ich kenne keine einzige Broschüre dieser

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