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Das Prinzip Selbstverantwortung

Titel: Das Prinzip Selbstverantwortung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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wieder sind die Folgen Passivität und Unterzuständigkeit. Ein klassisches Beispiel für das kurzgreifende Denken, das einfache Lösungen für komplexe Phänomene installiert, deren Nebenfolgen aber den angestrebten Effekt aufheben. Oder, in Peter Sloterdijks Worten: »Weil unermesslich vieles
durch uns
tatsächlich so kommt, wie wir denken, kommt es
mit
uns
im ganzen auf explosive Weise anders.«
    Nun zeichnen sich viele Menschen durch nichts so sehr aus wie durch einen nachgerade frühchristlichen Widerstand gegen alle Anfechtungen der Selbstverantwortung. Dazu gehört eine Tendenz zur symbiotischen Verschmelzung mit dem Vorbild; Sehnsucht |146| nach Sicherheit. Aber es ist die Sicherheit des Kindes. Viele kalendarisch erwachsene Mitarbeiter reifen so niemals über das Stadium der konventionellen Imitation hinaus; sie bleiben ewig Lehrlinge, mal willige, mal unwillige Befehlsempfänger. Und dieselben Führungskräfte, die eben noch Vorbild sein wollten, jammern nun über die Unselbstständigkeit ihrer Mitarbeiter.
    Denn jede Organisation gewinnt die Freiheit, die der Einzelne an sie verliert – übernimmt damit aber auch die entsprechende Verantwortung. Das Gewissen ist damit auf mehr oder weniger subtile Weise durch betriebliche Autoritätsfiguren geprägt oder auf autoritäre Regeln eingeschworen. Es geht ums »Hinterherlaufen«. So bleibt man dann auch: dahinter. Stets zweiter Sieger. Erwachsene verharren in einem pubertären Zustand, der Möglichkeiten beschneidet und Potenziale der Mitarbeiter ungenutzt lässt. Die Vorbild-Steuerung reduziert erwachsene Menschen zu Betriebsmarionetten, die jeder Beeinflussung offenstehen, die aber niemals in die Verantwortung gehen. Damit wird eine an Vorbildern orientierte Unternehmenskultur kenntlich als Kultur ohne Selbstverantwortung. Die Betonung der Führungskraft als Vorbild ist das Kainsmal unreifer Organisationen.
    In Abwandlung eines bekannten Brecht-Zitats: Glücklich das Unternehmen, das keine Helden braucht.
    Lebende Imitate
    Die Konsequenzen der Vorbild-Idee für die Unternehmen sind schlicht katastrophal. Denn diese Denkfigur beruht auf dem kategorialen Irrtum, dass Vorbilder für das Erreichen der Unternehmensziele nützlich seien.
    Fragen wir uns: Sind das die Mitarbeiter, die wir brauchen, jene, die immer hinterherlaufen, jene, die die Nachbilder von Vorbildern sind? Das Original produziert immer Fälschung. Lebende Imitate: »Sei mir gleich!« Mitarbeiter, die nicht lernen, indem sie sich selbst erfahren, sich selbst begegnen, sondern die beeindruckt sind von der Ausstrahlung des Vorbildes. Die nicht kreativ sind, sondern nachahmen. Die nicht denken, sondern kopieren. Macht |147| dieser Mitarbeiter einen Unterschied? Trägt er etwas Eigenständiges bei? Auf ausgetretenen Pfaden rutscht man leicht aus.
    Ein solcher Mitarbeiter hat sein eigenes inneres Wertekonzept abgegeben zugunsten einer Abhängigkeit von außen. Aber Menschen, die von etwas abhängen, verlieren leicht das Gleichgewicht. Wer von guten Vorbildern abhängt, hängt auch von schlechten ab. Ein Alptraum: Was also, wenn das Vorbild sich als Mensch aus Fleisch und Blut, mit Fehlern, Schwächen, gar menschlichen Abgründen herausstellt? Was, wenn die Maske fällt? Gerade das Image charismatischer Führungspersönlichkeiten ist besonders gefährdet, einfach wegzukippen (siehe Lee Iacocca). Wer ein Vorbild braucht, bezeugt damit häufig nur seine Ich-Schwäche. Er unterschlägt seine Einzigartigkeit, seine Individualität und deren Möglichkeiten.
    Das hat Konsequenzen: Ein negatives Vorbild in hoher hierarchischer Position gilt z. B. oft aus verschiedensten Gründen als »untouchable«. Diese, in einem kurzgreifenden Unternehmensinteresse wohl gemeinte Immunität prägt aber junge Einsteiger oft über Generationen, die an diesem Negativ-Vorbild ablesen, welche Eigenschaften offenbar in diesem Unternehmen belohnt werden. Viele Unternehmen sind völlig blind für diese Neben- und |148| Spätfolgen ihrer Kurzsichtigkeit, die ein Muster ohne Wert unbeabsichtigt zu hoher Wirksamkeit kommen lässt.
    |147|

    |148| Als ein weiteres Beispiel mag die Orientierung am japanischen Vorbild dienen, die gegenwärtig unter der Flagge des Lean Management segelt. Mit teutonisch-musterschülerhaftem Imitationseifer werden einer gewachsenen Industriekultur die schlanken Konzepte der Japaner aufgepfropft, wo doch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mit denen des »Vorbildes« völlig unvergleichbar sind. Man kann

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