Das Prinzip Selbstverantwortung
Selbstvertrauen, den Zweifel an den eigenen Fähigkeiten in vergleichbaren Situationen. Und dieser Zweifel wird in unverantwortlicher Weise auf den Mitarbeiter projiziert. Das hätschelt zwar die Eitelkeit und gibt zudem das Gefühl, der Mitarbeiter sei auch nicht kompetenter in solchen Situationen, als man es selbst sei, aber es belässt den Mitarbeiter in einem Verhältnis der Abhängigkeit. Die heimliche Botschaft: »Du kannst die Situation noch nicht überschauen, deshalb wirst du scheitern, wenn du nicht tust, was ich dir sage.« Damit nimmt die Führungskraft den Mitarbeiter aus der Verantwortung heraus. Der Vorgesetzte tauscht Gedeih gegen Verderb, weil er – ich spreche es aus – vielleicht insgeheim fürchtet, ein »Versagen« des Mitarbeiters könnte auf ihn zurückfallen. Dafür ist er bereit, einen hohen Preis zu zahlen: er schwächt die vorhandene Selbständigkeit und entmutigt die Zuversicht des Mitarbeiters. Dessen Einstellung war ja: »Es wird schon gelingen.« Jetzt hat er die Einstellung: »Es könnte schief gehen.« Welche Einstellung macht einen Erfolg wohl wahrscheinlicher?
An einer Bürotür las ich einen Aufkleber, der es auf den Punkt bringt: »Bitte nicht helfen, es ist auch so schon schwer genug.«
Eine Führungskraft, der daran gelegen ist, ihre Mitarbeiter in der Verantwortung zu lassen, sollte ihre »Fürsorgepflicht« nicht überziehen. Wir können und sollten Mitarbeiter nicht zu sehr schützen. Sie haben ein Recht darauf zu lernen, wie man schwierige Situationen meistert. Führung ist in der Pflicht, zu Mut und Selbstvertrauen zu er-Mut-igen. Die beste Ermutigung ist die |182| Überzeugung: »Sie werden es schon schaffen!« Führung heißt dann, zurückzutreten und dem Mitarbeiter Raum zu geben, seine Kraft und seine Fähigkeiten zu entfalten. Hilfe verweigern und dem Prozess vertrauen – und darauf vertrauen, dass der Mitarbeiter auch aus einer Enttäuschung etwas Positives für sich entstehen lassen kann.
Wenn es Ihnen also darum geht, die Leistungsfähigkeit Ihrer Mitarbeiter zu erhöhen:
Tun Sie nichts, was der Mitarbeiter selbst tun könnte.
Lösen Sie nicht seine Probleme. Lassen Sie die Mitarbeiter in der Verantwortung. Wenn Sie Ihren Mitarbeiter bei jeder Schwierigkeit seiner Verantwortung entheben, dann inszenieren Sie zwar Ihre Grandiosität und Unersetzlichkeit, aber dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn der Mitarbeiter sich unfähig und unverantwortlich fühlt. Viele Führungskräfte
wollen
das so. In Ordnung! Wenn Sie dazugehören, legen Sie spätestens jetzt dieses Buch weg.
Rollen-Spiele
Spiele um die Verschiebung von Verantwortung werden überall gespielt. Nicht jeder, der Hilfe sucht, ist dabei immer in der Opferrolle befangen. Und nicht jeder, der auch mal hilft, ist deshalb schon ein Retter. Aber in solchen Situationen besteht die Gefahr, in manipulative Rollen zu verfallen. Im Bereich Führung und Management mit seinen ausgeprägt hierarchischen Strukturen sind diese Rollen so miteinander verzahnt, dass die Entantwortungsrituale kaum noch auffallen und wie selbstverständlich zum Unternehmensalltag gehören.
Es gibt sogar institutionalisierte Retter: Personalentwickler zum Beispiel oder den närrischen Sprecherausschuss für leitende Angestellte (Ausschuss!). Auch die Betriebsräte, die wie die Gewerkschaften mitunter zum Zitat ihrer selbst degenerieren, weil ihnen ihr Gegenüber langsam abhanden kommt, sind oft kaum mehr als ein innerbetrieblicher ADAC für Blaumänner und Blaufrauen.
|183| In gleicher Weise gehört es zum Rollenselbstbild vieler Führungskräfte, wenn sie nicht gerade anklagen (»So geht das hier nicht weiter!«) oder kritisieren (»Wie oft soll ich Ihnen das denn noch sagen!«), eine Retterrolle zu übernehmen. Nach dem Motto »Wenn Sie mich nicht hätten …« mischen sie sich als ewig gutmeinende Helfer selbstgerecht in alles und jedes ein, auch wenn sie nicht dazu eingeladen wurden: »Nun sagen Sie doch schon, was Sie so bedrückt!« Sie gefallen sich in dem Ruf, sympathisch und gütig, fürsorglich und immer hilfreich in der Welt zu sein. Sie passen ständig auf, dass anderen nichts passiert. »Ich sehe doch, Sie haben ein Problem!« Und sie übernehmen gerne Verantwortung für andere, ohne das klar abgesprochen zu haben. »Sie können
jederzeit
zu mir kommen, die Tür steht
immer
offen.« Oder, mit Herzbube-Lächeln: »Ich werde mal sehen, was ich für Sie tun kann.«
Um mich aus der Gefahrenzone einer drohenden
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