Das Prinzip Selbstverantwortung
Mitarbeitern sagen, wo die Zange und die Handschuhe hängen, aber die Kohlen sollen sie selbst aus dem Feuer holen. Jemanden achten heißt vor allem: Nicht retten!
Das beste Korrektiv bei Problemen und Schwierigkeiten ist es, mit den Konsequenzen zu leben. Es gibt für jedes Handeln logisch-natürliche Konsequenzen. Sie ergeben sich aus der Sache. Auf logische Folgen kommen Sie relativ leicht durch die Frage: »Was geschieht, wenn ich mich nicht einmische?« Logisch-natürlich ist es, den Schaden zu reparieren bzw. den Mangel nachzuarbeiten. Mitarbeiter erfahren und tragen so die Folgen ihres Handelns. Wenn die Führungskraft sich auf diese Weise
angemessen
und
überlegt
zurückzieht, können die logischen Konsequenzen ihre Lernenergie entfalten.
Führen heißt mithin, dem Mitarbeiter zu zeigen, dass es in
seiner
Macht steht, das Problem zu lösen. Und nicht das zu tun, was
Sie
verlangen. Raus aus der Symbiose! Selbstverständlich – und ich sage es noch einmal, weil es mir wichtig ist – können Sie Ihre Mitarbeiter darauf konditionieren, das zu tun, was
Sie
für richtig halten. Je mehr ein Manager Probleme für seine Mitarbeiter löst, desto weniger tun sie es selbst, desto weniger Commitment ist im Unternehmen. Das ist weder falsch noch unmoralisch. Aber von Selbstverantwortung sollten Sie dann nicht mehr sprechen.
Eine Führungskraft schrieb mir nach einem Seminar einen Brief: »Jahrelang war ich der Weltmeister im Retten unselbstständiger Mitarbeiter. Vor kurzem kam ein Key-Accounter zu mir mit einem Problem, das er mit einem unserer wichtigsten Kunden hatte. Normalerweise hätte ich die Angelegenheit sofort an mich gezogen, zu viel Umsatz stand auf dem Spiel. Diesmal nicht. Ich |180| diskutierte mit meinem Mitarbeiter einige alternative Vorgehensweisen, bat ihn aber, selber eine Entscheidung zu treffen und auch selber das Problem aus der Welt zu schaffen. Mein Mitarbeiter war zunächst geschockt. Gewöhnt, bei Schwierigkeiten meine helfende Hand zu greifen, war er zunächst sehr unschlüssig. Auch ich spürte die Versuchung, die Sache auf meine Weise zu erledigen. Aber er entschied sich dann doch, traf sich mit dem Kunden und regelte die Angelegenheit. Er hat sich später bei mir dafür bedankt, dass ich ihm Gelegenheit gegeben hätte, sein Problem selbst zu lösen. Aber das war nicht mein wichtigster Erfolg. Viel wichtiger war, dass ich der Versuchung widerstanden hatte, die alte Retter-Nummer zu spielen.«
Das gleiche gilt auch für den betriebsinternen Umgang mit Konflikten. In der hierarchischen Konstruktion organisierter Unverantwortlichkeit gibt es kaum direkte Kommunikation. Kommuniziert wird vornehmlich über die Wasserfallkaskade: weil es nicht darum geht, ein Problem zu lösen, sondern den »Dienstweg« einzuhalten. Demotivations-Schneebälle. Hierbei wird unterstellt, dass der Mitarbeiter bei Konflikten zu blöd ist, selbst die Situation zu beschreiben, sein Verhalten zu erklären, ggf. zu verteidigen. Im Lichte der Selbstverantwortung eine ambivalente Situation: Viele Führungskräfte werden sich schützend vor den Mitarbeiter stellen, weil es der Mitarbeiter erwartet. Andererseits muss der Mitarbeiter lernen, sich selbst zu verantworten; er kann seine Konfliktkompetenz erhöhen. Noch heute bin ich meinem ersten Chef dankbar für diese Lektion: Wenn sich bei ihm jemand über mich beschwerte, verwies er diesen mit Seelenruhe an mich, seinen Mitarbeiter: »Der sitzt ein Büro weiter; der kann für sich selber sprechen, und er kann es selbst am besten erklären.«
Fürsorgliche Belagerung
»Herr Meier, glauben Sie nicht, dass Sie für die morgige Präsentation noch einige Charts zur Sicherheit anfertigen lassen sollten?« – »Nein, ich denke, ich stecke so in der Materie drin, dass ich |181| auf alle Nachfragen eine befriedigende Antwort geben kann.« – »Ich meine doch, dass Sie es tun sollten; der Vertriebsleiter stellt häufig unangenehme Fragen, da ist es besser, Sie sind vorbereitet und können ihm etwas anbieten.« Herr Meier geht in sein Büro, um noch einige Charts zu erstellen.
Diese Führungskraft entscheidet, wann der Mitarbeiter hinreichend vorbereitet ist oder nicht. Sie ist überfürsorglich und will ihre Schutz-Autorität ausspielen. Sie scheint vorausschauend, mächtig, erfahren – und hält doch den Mitarbeiter im Zustand der Abhängigkeit. Das alles natürlich unter dem Vorwand, um dessen Wohl äußerst besorgt zu sein. Mehr noch aber spiegelt es den eigenen Mangel an
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